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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0110
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11 ο

ConstaνTin Ritter:

staltenden Gott selbst oder den Inbegriff der in ihr wirkenden
organisatorischen Kräfte, woraus dann wieder zu folgern ist, daß
die ganze Erzählung, wie der schaffende Geist diese Welt aus dem
Chaos schlug, nicht wörtlich zu verstehen, daß sie nur Mythos ist.
Die Schöpfung ist nicht als einmaliges Geschehen von einem be-
stimmten Ausgangspunkt aus zu fassen, sondern sie vollzieht sich
anfangslos. Gott ist der das All umfassende und erhaltende,
belebende Geist von Ewigkeit her und die Welt lebt Gottes eigenes
Leben.
Um den Begriff der Weltseele auch durch Vergleichung mit
den Gedanken moderner Philosophen zu beleuchten, ziehe ich
K. Ch. Planck heran, der von dem „innerlich zentralen Ent-
wicklungsgesetz“ der Welt oder dem „beherrschenden Zentrum"
redet, dessen „vergeistigtes Reich“ die „wahrhafte Natur bilde
und das im Hervortreten des Organischen und Geistigen sein not-
wendiges Ziel haben müsse1 * * *. Offenbar ist unter diesem beherr-
schenden Zentrum, das alle Teile zu „innerer Wechselwirkung“
einigt, deren Erfolg geistiges Leben ist, eine Macht zu verstehen,
die war berechtigt sind, als belebend und begeisternd, als seelisch
zu bezeichnen. Freilich wird Planck oft, ebenso wie Schelling,
wegen seiner Naturphilosophie der Phantastik bezichtigt, wohl
auch von Anhängern Schopenhauers, die nicht bemerken, daß sie
selber der Welt, wenn sie sie als „Wille und Vorstellung“ begreifen
wollen, damit jedenfalls eine Seele zuschreiben. Und vielleicht
bin ich überhaupt nicht ganz glücklich mit meinem Bemühen,
von Platon jeglichen Verdacht der Phantastik abzuwehren, indem
ich mich auf diese Neueren berufe.
Ich muß ja auch noch berichten, daß er die Bewegungen des
Alls, die er dem sinnlich an den Himmelskörpern Beobachteten
gemäß als Achsendrehungen und Umläufe in schrägen Kreisbahnen
beschreibt, merkwürdigerweise geradezu dem Denken und Wahr-
1 K. Ch. Planck, Anthropologie und Psychologie auf naturwissenschaft-
licher Grundlage, S. 151, S. 17f., 42 nebst S. 157ff., S. 173. Ygl. auch z. B.
Shaftesbury bei Falckenberg, Gesch. d. Nat.Philos. 5, S. 175: „Jedes
Einzelwesen ist Glied eines Systems von Geschöpfen, die eine gemeinschaft-
liche Natur verknüpft. Da ferner überall in der Welt Ordnung und Harmonie
verbreitet ist und es kein Ding gibt, das nicht eine Beziehung zu allen übrigen
und zum Ganzen hätte, so ist auch das Universum von einer formgebenden
und mit Absicht wirkenden Kraft belebt zu denken; diese allbeherrschende
Einheit ist die Seele des Weltganzen, der Allgeist, die Gottheit.“
 
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