Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.
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nehmen der Weltseele gleiehzusetzen scheint1. Aber auch das
läßt sich nüchterner deuten als es gewöhnlich aufgefaßt wird.
Es ist nicht unmöglich, daß sich darin eine Ansicht über das Ver-
hältnis des geistigen und stofflichen Seins birgt, die in neuerer
Zeit mehr und mehr zu Ansehen und Geltung gekommen ist und
der Fechner besonders klaren Ausdruck verliehen hat, die so-
genannte Zweiseitentheorie, die behauptet, daß das einheitliche
Wesen des Wirklichen nur eben nach dem Standpunkt des Betrach-
ters sich verschieden darstelle, von der einen Seite aus psychisch,
von der anderen aus materiell. Sieht man sich Fechner eigene
Ausführungen über den geistigen Gehalt der Welt an, ohne diese
seine Erklärung über die Doppelseitigkeit alles Wirklichen zu
beachten, so scheint in ihnen stellenweise wohl dieselbe Verwechs-
lung und Verquickung von Immateriellem mit Materiellem vorzu-
liegen, wie in jenen Angaben Platons über die Denkbewegungen
der Weltseele. Er schreibt z. B.2 von der Erde, daß sie unsagbar
über dem Menschen stehe, den sie einschließe. „Sie erst, nicht der
Mensch, ist ein in sich abgeschlossenes Wesen und kreist rein um
sich, in sich und schließt alle Kreisläufe der Menschen und Tiere
in sich“ und „nur ein immaterielles Gesetz“ bindet ihren Gang
„und darf ihn binden, weil alle Freiheit in derselben ist“3. Oder
von den Gestirnen sagt er, sie schwimmen im Äther, der sie erzeugt,
„getragen im halb geistigen Elemente von einer halb geistigen
Kraft, wandeln darin groß und ruhig . . . und entwickeln dabei,
indem sie so äußerlich sich ganz einer ewigen und doch ewigen
Wechsels vollen Ordnung fügen, innerlich die größte Freiheit, den
unerschöpflichsten Beichtum geistiger und leiblicher Schöpfungen,
Gestaltungen und Begungen, in deren Fluß die unsern selbst ein-
gehen“; und obgleich er erfahrungsgemäß nur von ihren uns
sichtbaren Ortsbewegungen reden kann, spricht er ihnen nach
Analogie höheres geistiges Leben zu, als wir irdischen Geschöpfe
es besitzen4.
1 Tim. 37 a ff.
2 Zend-Avesta I, 234.
3 Über die Seelenfrage2, S. 182 f.
4 Seine „Grundansicht“ läßt Fechner u. a. in folgenden Sätzen hervor-
treten: „Das identisch gemeinsame Wesen des Körpers und der Seele ist . .
nichts anderes als die solidarische Wechselbedingtheit der Selbsterscheinungen
der Seele und der äußeren Erscheinungen des Körpers.“ . . . „Man kann . . .
ihnen ein gemeinsames Wesen unterlegen und den Körper die Seite der äußeren
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nehmen der Weltseele gleiehzusetzen scheint1. Aber auch das
läßt sich nüchterner deuten als es gewöhnlich aufgefaßt wird.
Es ist nicht unmöglich, daß sich darin eine Ansicht über das Ver-
hältnis des geistigen und stofflichen Seins birgt, die in neuerer
Zeit mehr und mehr zu Ansehen und Geltung gekommen ist und
der Fechner besonders klaren Ausdruck verliehen hat, die so-
genannte Zweiseitentheorie, die behauptet, daß das einheitliche
Wesen des Wirklichen nur eben nach dem Standpunkt des Betrach-
ters sich verschieden darstelle, von der einen Seite aus psychisch,
von der anderen aus materiell. Sieht man sich Fechner eigene
Ausführungen über den geistigen Gehalt der Welt an, ohne diese
seine Erklärung über die Doppelseitigkeit alles Wirklichen zu
beachten, so scheint in ihnen stellenweise wohl dieselbe Verwechs-
lung und Verquickung von Immateriellem mit Materiellem vorzu-
liegen, wie in jenen Angaben Platons über die Denkbewegungen
der Weltseele. Er schreibt z. B.2 von der Erde, daß sie unsagbar
über dem Menschen stehe, den sie einschließe. „Sie erst, nicht der
Mensch, ist ein in sich abgeschlossenes Wesen und kreist rein um
sich, in sich und schließt alle Kreisläufe der Menschen und Tiere
in sich“ und „nur ein immaterielles Gesetz“ bindet ihren Gang
„und darf ihn binden, weil alle Freiheit in derselben ist“3. Oder
von den Gestirnen sagt er, sie schwimmen im Äther, der sie erzeugt,
„getragen im halb geistigen Elemente von einer halb geistigen
Kraft, wandeln darin groß und ruhig . . . und entwickeln dabei,
indem sie so äußerlich sich ganz einer ewigen und doch ewigen
Wechsels vollen Ordnung fügen, innerlich die größte Freiheit, den
unerschöpflichsten Beichtum geistiger und leiblicher Schöpfungen,
Gestaltungen und Begungen, in deren Fluß die unsern selbst ein-
gehen“; und obgleich er erfahrungsgemäß nur von ihren uns
sichtbaren Ortsbewegungen reden kann, spricht er ihnen nach
Analogie höheres geistiges Leben zu, als wir irdischen Geschöpfe
es besitzen4.
1 Tim. 37 a ff.
2 Zend-Avesta I, 234.
3 Über die Seelenfrage2, S. 182 f.
4 Seine „Grundansicht“ läßt Fechner u. a. in folgenden Sätzen hervor-
treten: „Das identisch gemeinsame Wesen des Körpers und der Seele ist . .
nichts anderes als die solidarische Wechselbedingtheit der Selbsterscheinungen
der Seele und der äußeren Erscheinungen des Körpers.“ . . . „Man kann . . .
ihnen ein gemeinsames Wesen unterlegen und den Körper die Seite der äußeren