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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0113
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft. 113
wissenschaftlich zu beweisende Wahrheit, sondern nur eine gewisse
Wahrscheinlichkeit erwarten1.
Nachdem ich so die gewichtigsten Einwände gegen Platons Be-
handlung naturwissenschaftlicher Aufgaben zur Erörterung gestellt,
möchte ich noch auf etwas hinweisen, das mir von großer Bedeutung
zu sein scheint: die u n g e w ö h η 1 i c h ho he Achtung,diePlato n
immer für das Tatsächliche bezeigt, was mit seinem kräf-
tigen Wahrheitssinn zusammenhängt. Auf das Identitätsgesetz
der Logik gestützt versagen die Eleaten dem ,,Nichtseienden“
ihre Anerkennung, leugnen alle Unterschiede im Seienden und
heben damit alle Vielheit und jeden Wechsel theoretisch auf.
Dem starren Begriff des Seins entspricht der ebenso starre des
Wissens, von dem es keine Übergänge zum Nichtwissen geben kann,
so daß das Vergessen und Lernen und Verwechseln logisch wider-
sinnig befunden wird. Das machen sich die Subjektivisten zunutze,
die anderseits auch der herakleitischen Lehre vom Fluß der Dinge
sich bedienen können, um das Becht alles Streites um die Wahrheit
und jede Bemühung um absolute Wahrheiten als eitel erscheinen
zu lassen. Wie willst du mich eines Irrtums, einer falschen Be-
hauptung überführen ? Wie magst du unsere Kunst, die Sophistik,
als Schein- und Trugkunst brandmarken ? Es gibt ja keinen Irr-
tum, keinen Schein und Trug: denn jeder Begriff davon ist logisch
widerspruchsvoll. Wie kannst du eine Behauptung aufstellen, die
von einem Subjekt aussagt, daß es etwas ganz anderes sei als was
die Subjektsbezeichnung eben ausdrückt ? Wie kannst du die
Wahrheit suchen ? Findest du sie, so wirst du sie nicht als Wahr-
heit erkennen. Das sind die verfänglichen Einreden der Streit-
künstler im Euthydemos, Sophistes und Menon. Ihnen gegenüber
aber hält Platon mit unerschütterlicher Festigkeit an den Tat-
sachen fest, die jene wegbeweisen wollen, insbesondere an der
Gegensätzlichkeit von wahr und falsch, und zeigt, daß die Eristiker
selber durch ihr praktisches Verhalten den sicheren Glauben an
diese Gegensätzlichkeit bezeugen, wie denn auch die eigentüm-
lichen Widersprüche der Raum- und Zeitbestimmtheit, die jede

1 Es ist bemerkenswert, daß auch hier die Platondarstellung auf Fechner
verweisen kann. Vgl. z. B. a. a. O. S. 46: „Was aber soll eigentlich bewiesen
werden, wenn ich das Dasein einer Pflanzenseele beweisen will? Zuvörderst
nichts bewiesen, nur glaublicher als das Gegenteil gemacht werden.“ Oder
S. 61.

Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 19. Abh.
 
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