Metadaten

Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0096
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
92

Hugo Koch:

gelten. Wahrscheinlicher aber sei die Erklärung ,,auf jede Kirche,
die mit derjenigen des Petrus in Verwandtschafts Verhältnis steht“,
nach einer bekannten und gebräuchlichen lateinischen Wortfügung.
Der Zusammenhang empfehle diese Erklärung, bei der man auch
sofort begreife, weshalb das ,,ad te derivasse“ den Nachdruck
erhalte und vorangestellt sei (Katholik, 1902, II, 211 ff.)1.
Wie man sieht, zeichnet sich schon diese auf einmal gegebene
Erklärung Essers nicht gerade durch Einheitlichkeit und Folge-
richtigkeit aus: „omnis ecclesia“ erscheint bald als die in der Zu-
sammenfassung der Einzelkirchen bestehende Gesamtkirche, bald
als jede Einzelkirche; ebenso muß das ,,propinquus“ bald den
inneren Zusammenhang der Gesamtkirche, bald das Band zwischen
der Einzelkirche und Petrus oder der Kirche Petri ausdrücken.
Wie aber bei der von Esser damals noch gemachten Voraussetzung,
daß Kallist der von Tertullian angeredete Bischof sei, die Er-
klärung „auf jede Kirche, die mit derjenigen des Petrus im Ver-
wandtschaftsverhältnis steht“ den Vorzug haben und man dabei
sofort begreifen solle, weshalb das „ad te derivasse“ den Nach-
druck erhalte und so angestellt sei, ist vollends schwer begreiflich.
Kallists Kirche, d. h. die römische Kirche wäre doch in solchem
Zusammenhang der Gedanken mit der Kirche Petri nicht bloß
verwandt oder in Verbindung stehend, sondern die Kirche Petri
selber. Wohl aber steht Kallists Kirche, wie die andern Kirchen,
mit Petrus in Zusammenhang, wenn auch in näherem und inni-
gerem, als die andern Kirchen.
In seiner neuesten Schrift (1914, 19f., vgl. auch die Bemer-
kungen in BKV., Tertullian II, 465 A. 2 u. 467 A. 1) faßt nun
1 Ebenso glaubte Preuschen (Dissertation 1890, 39 u. 47), daß Kallist
das Recht der Sündenvergebung durch Vermittlung der römischen Gemeinde
von Petrus hergeleitet habe. Und Werminghoff faßt (in Schieles RGG. I,
1538) Kallists Gedanken dahin: „Diese richterlichen Vollmachten seien zu-
nächst dem Petrus, dann erst den andern Aposteln verliehen; sie hafteten
an der Gemeinschaft mit Petrus d. h. mit der römischen Gemeinde, ihrem
Bischof und ihrer Überlieferung.“ Auf Essers Seite steht auch Bruders
in seiner Abhandlung „Mt. 16,19; 18,18 und Joh. 20, 22. 23 in frühchrist-
licher Auslegung“ (Zeitschr. f. kath. Theol., 1910 u. 1911; siehe 1911, 79ff.).
Friedrich (Zur ältesten Gesch. d. Primates in der Kirche, 1879, 85) denkt
an die „Theorie von den petrinischen Stühlen“, wonach (nur) die von Petrus
(direkt oder indirekt) gegründeten Kirchen von Antiochien, Rom und Alexan-
drien (Markus) als apostolische in Betracht kämen. Allein diese Theorie
hätte Tertullian nach seinen Darlegungen in De praescr. (c. 20—22, 32, 36)
noch von einer andern Seite angegriffen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften