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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0038
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Handschriftensammler des XVI. Jahrhunderts.

traict de joy grecque vermutet1, in besonnener Pflichterfüllung ist
er auf der anderen Seite der einmal gewiesenen Spur nachgegangen,
um zu ermitteln, was hinter Übertreibung oder Trug steckte. An
die garderobbe et despouille de toute la librairye des Paleologues hat er
nicht geglaubt2, und — so darf nach allem Gesagten verallgemeinert
werden — mit ihm alle ernsthaften gelehrten Sucher griechischer
Handschriften überhaupt nicht. Größere Handschriftenmassen,
die als Überreste der Paläologensammlung anzusprechen gewesen
wären, hat keiner von ihnen damals irgendwo gekannt oder ver-
mutet. Zweifellos hätte Pellicier, wenn er gewußt oder zu wissen
gemeint hätte, wo die Reste dieser Bibliothek zu suchen seien, in
jenem ausführlichen Brief an du Chastel diese Kenntnis zum Aus-
druck gebracht, schon deshalb, weil er damit die Offerte ohne
weiteres als das hätte erweisen können, was sie war, — ein Betrug.
Mit bedächtiger Kritik hat er sich begnügen müssen: was aus der
Paläologenbibliothek geworden war, wußte niemand. Sie im Serai
zu vermuten, blieb einem späteren Jahrhundert Vorbehalten, da-
mals dachte daran niemand, denn daß im Serai überhaupt grie-
chische Handschriften zu finden seien, ahnte damals kein Mensch.
Vergeblich suchen wir auch in der umfangreichen Korrespondenz
Pelliciers nach einer Andeutung, einem Schimmer einer Serai-
bibliothek, sie schweigt darüber, so oft, so viel sie auch von Hand-
schriften, und, wie wir sahen, von Handschriften aus Konstantinopel
zu berichten weiß: eine Bibliothek im Serai hat für die
Gelehrten des 16. Jahrhunderts nicht existiert!
Und die Corvina, die berühmte Bibliothek des Königs Mat-
thias von Ungarn ? Lag sie nicht seit der Einnahme Ofens durch
die Türken im Serai zu Konstantinopel ? Hatte Sultan Sulejman
oder sein Großwesir Ibrahim sie nicht dorthin entführt ? Und das
soll den gelehrten Handschriftensammlern zum mindesten seit der
Mitte des 16. Jahrhunderts nicht bekannt gewesen sein? Der
Einwurf ist falsch. Er kann sich nur auf die trotz mehrfachen
Widerspruchs immer noch geltende communis opinio gründen, und
diese stellt sich bei Prüfung der Überlieferung als unbegründet
heraus. Im 16. und auch noch im 17. Jahrhundert hat nie-
mand auch nur einen Teil der Bibliothek des Matthias
Corvinus im Serai zu Konstantinopel vermutet!3
1 a. a. O. S. 118, Omont a. a. O. S. 79.
2 Ebenda.
3 Für den Nachweissiehe die Anlage am Ende dieser Abhandlung, S. 134ff.
 
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