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Jacobs, Emil [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0062
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Dominico von Jerusalem.

wir nicht bei ihm lesen, ihm auch unbekannt gewesen ist1, viel-
mehr umgekehrt, daß das, was dasteht, dem Erzähler, als er für
Hörer sprach, was er später für Lesende schrieb oder schreiben
ließ, am geeignetsten schien oder am meisten am Herzen lag. Eine
Relazione eben liegt vor, narr ata, wie der Harleianus sagt, eines
temperamentvollen, um die literarische Form, Feinheit des Aufbaus,
und nun gar Sorgfalt der Sprache ganz unbekümmerten Erzählers.
Dominico hat gut gesehen und scharf beobachtet. Neues, zum
Teil bis heute Unbekanntes bringt er dabei zutage. Seine Schil-
derungen sind im allgemeinen klar und voll schlichter Lebendig-
keit, ehrliche Bewunderung für die Größe und Schönheit Konstan-
tinopels erfüllt ihn. Den eigenen Wahrnehmungen gesellen sich
Mitteilungen kundiger Einheimischer zu, denn Dominico hat, wie
er selbst gesteht, nicht versäumt, die vecchi huomini Greci, Arabi
letterati et sapienti anco Vistessi Turchi von Konstantinopel wiß-
begierig zu befragen, und diese haben ihm nicht nur die cose notabili
della Cittä gewiesen, sondern auch die historie de passati tempi
erzählt2. Manches legendarische hat er von ihnen gläubig über-
nommen. Im übrigen ist der Inhalt der Relation durchweg Domi-
nico eigentümlich, Benutzung literarischer Quellen kann ich ihm
nirgends nachweisen.
Dominico ist Arzt und Gelehrter3, als solcher vor allem Anti-
quar. Überall begegnen bei der Schilderung des noch Bestehenden
historisch-antiquarische Bemerkungen. Die Mauern der Stadt sind
antiche dalla prima fondatione (S. 13). Die Hagia-Sophia-Moschee
ist la Chiesa antica che edificö V Imp erat ore Costantino nel suo
Palazzo (S. 5, 7). Die eine der Wasserleitungen rührt von Kon-
stantin dem Großen her (S. 2). Zu dessen Zeit sollen die Obelisken
des Hippodroms zur Aufstellung der Fahnen bei Festen gedient
haben (S. 14L). Zur Zeit Mehemmed des Eroberers sollen in den
1 Das lehrt deutlich ein. Vergleich der Relatione mit den Konstantinopel
betreffenden Partien des Berichts über den Hl. Georg., Parisotti a. a. O.
S. 339f. — Bewußt legt er sich Beschränkung auf z. B. bei der Schilderung
der Hagia Sophia S. 7: sarebbe entrare in un pelago troppo grande: ma non-
dimeno racconterö alcune cose piü notabili cioe . . .
2 In dem Bericht über die Verehrung des Hl. Georg, Parisotti a. a. O.
S. 340.
3 Der Jude kommt nur gelegentlich zum Vorschein : Abgaben der Juden
S. 20; kein Christ, ne parimente Hebreo darf ohne besondere Erlaubnis die
Moscheen betreten S. 91; das Essen von Linsen und harten Eiern nach einer
Beerdigung ist einem uso dalVHebraismo entnommen S. 87 (vielmehr: 95);
Fälschung des Alten Testamentes durch die Türken S. 100.
 
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