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Cartellieri, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 6. Abhandlung): Charles Rogier — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37683#0007
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Charles Rogier.

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vier“ als liberalster Fürst seiner Zeit gepriesen. Rogier urteilte aber
wohl wie der österreichische Gesandte Baron Vincent: „König
Wilhelm war zu liberal, um König zu sein; war zu sehr König,
um aufrichtig liberal zu sein.“ Als nach dem Bruch mit den Katho-
liken der König auch mit den Liberalen in Streit geriet, trat Rogier
in Wort und Schrift für die „Union“, den Zusammenschluß der
bisherigen Gegner ein (1828/9). Auf das leidenschaftlichste be-
kämpfte er den scharfen Pressegesetzentwurf, der den Schuldigen
entehrende Strafen, wie Bastonnade und Ausstellung am Schand-
pfahl androhte, ln einem Artikel vom 29. Dezember 1829, der
wohl auf eine gemeinsame Redaktion Rogiers und seiner Freunde
zurückgeht, heißt es: „Das Gesetz hat uns selbst, unseren Brüdern
und Söhnen Waffen in die Hand gedrückt; eine edle Nation, die
entschlossen ist, ihre Freiheit zu wahren, weiß das Eisen zu hand-
haben, wenn man ihr die Waffe des Gesetzes geraubt hat.“ Mit
Ingrimm wurde im Lande die Verurteilung des Publizisten De
Putter aufgenommen. Der „O’Connell Belgiens“ hatte den uto-
pistischen Plan betrieben, alle Beamten und Bürger, die der Regie-
rung gesetzlich Widerstand geleistet und infolgedessen ihre Ent-
lassung erhalten oder sonstwie eine Schädigung erfahren hatten,
durch Vereinigung zu einer Genossenschaft zu entschädigen: war
das wirklich ein Komplott gegen Thron und Regierung gewesen ?
De Potter hatte bislang seine Kritik der ministeriellen Tätig-
keit mit Gefängnisstrafen abgebüßt. Jetzt fand sich der Schwur-
gerichtshof von Brabant bereit, den unbequemen Journalisten auf
acht Jahre aus dem Lande zu verbannen. Rogier verlor nicht den
Mut. E r schrieb am 2. Mai 1830 im „Politique“ P „Nous sommes
arrives ä une epoque oü la defaite retrempe les ämes, loin de les
abattre. La religion ne fleurit qu’au milieu de persecutions.
La religion politique de PEurope au XlXe siede, c’est la liberte;
les persecutions, loin de retarder son triomphe, en accelereront la
marche. . . . la foi dans Ja liberte .... ne succombe point devant
la force materielle.“
Einige Wochen weiter, und die Julirevolution brach aus.
Staunend betrachtete Rogier den Erfolg der „Trois Glorieuses“.
Für alle Staaten erwartete er Gutes, insbesondere für die Nieder-
lande, in denen eine gesetzesmäßige, friedliche und ernsthafte
Opposition an der Arbeit sei. „Wer kann seine Bewunderung

1 So nannte sich der „Mathieu Laensbergh“ seit dem 1. Januar 1829.
 
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