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Cartellieri, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 6. Abhandlung): Charles Rogier — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37683#0009
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Charles Rogier.

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7. September, zieht das Häuflein durch das Tor von Namur in
Brüssel ein: Rogier hat die Hauptstadt, die Hauptstadt hat ihn.
Es fehlte durchaus an einer Behörde, die der Bewegung ge-
wachsen war, die sie zu lenken, ans Ziel zn bringen vermochte.
Die „Commission de sürete publique“ kam aus dem Zögern und
Abwarten nicht heraus. König Wilhelm dachte aber an kein
Einlenken. Vor den Generalstaaten im Haag erklärte er, „die
kleine Schar von Unruhstiftern, die das Volk aufreizten“, durch
holländische Truppen zum Gehorsam zwingen zu wollen. Auf dem
patriotischen Bankett am 14. September verlas Rogier die Kund-
gebung des Monarchen. In der Bluse steht er auf dem Tische,
umringt von seinen Lüttichern. Die Menge jauchzt ihm zu: „Nous
sommes venus pour combattre non pas la plume ä Ja main, mais-
les armes ä la main.“
Zu viel kostbare Zeit geht verloren. Eine neue Behörde
bildet sich, versagt aber auch völlig. Keine 300 Mann werden
unter die Waffen gerufen, keine 40 wachen nachts. Als die hol-
ländischen Truppen unter dem Prinzen von Oranien von Antwerpen
her nahen, verläßt Rogier am 22. September die Stadt durch das
Tor von Schaerbepk, eilt zu seinen Lüttichern nach Dieghem und
Evere, um die Verteidigung zu leiten. Hier erhält er die Feuer-
taufe. Der Zweck wurde erreicht, die Holländer mußten Halt
machen. Aber um sie zurückzuschlagen, bedurfte es stärkerer
Truppen. Was vermochte der kleine Haufe auf die Dauer? In
Brüssel geschah immer noch nichts, in der Stadt regte sich nichts.
„Keine Offiziere, keine Regierung, kein fester Plan, keine Leitung.“
Am 23. September erzwang sich der Prinz von Oranien den Weiter-
marsch und rückte in der Richtung des königlichen Parkes weiter
vor. Rogier und mit ihm Gendebien, Sylvain van de Weyer und
andere Revolutionäre, denen als auswärtigen Unruhestiftern beson-
ders harte Strafen drohten, mußten einen Widerstand aufgeben,
der gänzlich nutzlos erschien. Was gewann die belgische Sache
durch ihren Tod, wenn die Hauptstadt versagte ? Rogier flüchtete
in den Sonienbosch (Wald von Soignes) und gelangte bis Eigen-
Brakei (ßraine-PAlleud). Da, nachmittags gegen drei Uhr hört
er plötzlich in der Richtung von Brüssel her Kanonendonner;
endlich, endlich der so lang vergeblich erwartete Widerstand:
Brüssel wacht auf und hebt zornig die Pranke. Eilends zurück
und weiter gekämpft! In die dritte provisorische Regierung (Com-
mission administrative, dann Gouvernement provisoire genannt)
 
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