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Cartellieri, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 6. Abhandlung): Charles Rogier — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37683#0025
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Charles Rogier.

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luxemburgischen Pläne des „gekrönten Raubvogels'-. Als die
Erörterungen der europäischen Kabinette begannen, regte sich
in Rogier ein heißer Wunsch: bot sich nicht jetzt eine Gelegenheit,
Luxemburg, auf das man 1839 doch nur notgedrungen verzichtet
hatte, zu erhalten ? Schon 1851 war eine leise Hoffnung auf-
getaucht, aber gleich wieder verschwunden. Jetzt schienen die
Aussichten besser. Hatte doch der österreichische Minister Beust
den Vorschlag gemacht, Luxemburg an Belgien zu geben, das
dafür an Frankreich acht Kantone der Provinzen Hennegau und
Namur abtreten solle. Von dieser Bedingung wollte Rogier gar
nichts wissen, kein Fuß breit belgischen Gebietes durfte geopfert
werden, um Luxemburg zu gewinnen. Er bot nur eine Geldent-
schädigung an, wie es heißt zwölf Millionen. Der alte Kämpe für
Belgiens Große erschien wieder auf dem Plane und fand in dem
begabtesten seiner jüngeren Beamten, in Emile Banning, einen
begeisterten Förderer seines Planes. Auch im Großherzogtum
zeigten sich ihm weite Kreise geneigt. Doch Rogier hatte kein
Glück. Weder der König noch sein Ministerkollege Frere-Orban,
wollten von einer Initiative Belgiens etwas wissen. Von den Groß-
mächten sah nur Frankreich die „belgische Lösung" nicht unfreund-
lich an. Es hieß sich dem Beschluß der Konferenz beugen (11. Mai
1867), die Autonomie und Neutralität des Großherzogtums an-
erkennen. Die „große belgische Familie" mußte auch weiterhin
auf die Rückkehr der „früheren Mitglieder" verzichten. Der Miß-
erfolg schmerzte Rogier tief. Am 5. Mai hatte er dem belgischen
Gesandten nach London geschrieben: „L’isolation du Luxembourg,
ce n’est pas une solution. G’est un replatrage sans solidite et sans
duree qui deviendra tot ou tard et peut-etre immediatement une
source nouvelle de troubles et de conflits.“ Er entschloß sich,
aus dem Amte zu scheiden (am 19. Dezember 1867). Die liberale
Partei blieb ja am Ruder.
„Pour n’etre plus ministre, je n’entends pas abdiquer mon röle
politique. On peut aussi en dehors du gouvernement rendre des
Services,“ erklärte der Unermüdliche, der unverheiratet geblieben
war und ganz im Wirken für die Allgemeinheit aufgin g. Über zwei
Jahrzehnte, zweiundzwanzig Jahre, war er Minister gewesen, er
konnte auch fernerhin die Politik nicht lassen. „Je ne dis pas
avec le rat retire dans son fromage: les choses d’ici-bas ne me
regardent plus."
 
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