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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0012
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12

Gustav Ehrismann:

Es sollen nun die einzelnen Punkte dieses Systems historisch
verfolgt und mit der klassischen bezw. mittelalterlichen Rhetorik
und mit entsprechenden religiösen Glaubenssätzen in Beziehung
gesetzt werden.
I. Die Kunst.
a) Der Ursprung der Kunst ist Gott, Gott verleiht
die dichterische Veranlagung (sin) und die sselde. Zu-
grunde liegen die Gedanken von Augustins IV. Buch des Gottes-
staates, besonders Kap. 21. 25. 34: der Urgrund alles Guten und
aller Güter ist Gott, die Güter sind bona animi (—Tugenden), bona
corporis, bona externa (= bona fortunae), zusammengefaßt 5. Buch
praefatio: Quoniam constat, omnium rerum exoptandarum pleni-
tudinem esse felicitatem, quae non est dea, sed donum Dei usw.,
die Fülle aller wünschenswerten Dinge ist die Glückseligkeit, diese
aber ist ein Gnadengeschenk Gottes; auch der sin, mens, gehört
zu solchem Glückszustand: Quid necesse erat.deae Menti,
ut bonam haberent mentem (IV, 21). Als Lehrstück trägt Augustin
in dem Buch von der christlichen Lehre, De doctrina christiana
IV, 1516 (s. auch IV, 30)? vor, daß Gott die Rednergabe verleiht
und dazu das Gedeihen gibt.
Die klassische Theorie findet den Ursprung der Kunst in der
Natur des Menschen begründet, nach Aristoteles ist die Dicht-
kunst angeborener Nachahmungstrieb. Cicero erklärt, die Bered-
samkeit sei Naturanlage, könne aber durch Lehre feiner ausgebildet
werden De oratore I, Kap. 25: sentio naturam primum atque
ingenium ad dicendum vim adferre maximam. Diese Ansicht hat
Horaz in seiner Ars poetica 408—411 auf die Dichtkunst ange-
wendet: Natura fieret laudabile carmen an arte Quaesitum est:
ego nec Studium sine divite vena Nec rüde quid possit video
ingenium: alterius sic Altera poscit opem res et coniurat amice;
dazu 309: Scribendi recte sapere est et principium et fons. Unter
den mittelalterlichen Theoretikern folgt Hugo von S. Victor, der
in seiner Eruditio didascalica eine den klassischen Studien ent-
gegenkommende Stellung einnimmt und Demosthenes, Aristoteles,
Cicero, Quintilian als die Häupter der Rhetorik nennt (Migne 176,
767CD), auch der klassischen Ansicht, daß sensus und ingenium
für die Beschäftigung mit den artes (Wissenschaften und Künsten)
von der Natur gegeben sei (770CD. 771AC). Aber das ist „philo-
sophische“ Theorie, die theologische Lehre mußte an Stelle der
 
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