Metadaten

Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0046
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
46

Gustav Ehrtsmann:

er bewegt sich hier nur in dem gewöhnlichen Rahmen der mittel-
hochdeutschen Prologe, während er dort, sorgfältig durchdacht,
zu einer wissenschaftlichen Kunstlehre erweitert ist, in der allge-
meine, sittliche und religiöse Probleme zur Verhandlung kommen.
Verschieden auch sind die beiderteiligen Prologe durch die Kunst
der Sprache: die im Alexander sind in der hohen, reich geschmück-
ten Stilart, die im Willehalm in der gemäßigten abgefaßt, oft
ungelenk und ungeglättet. Jene prunken durch Sprachkünste,
diese heben sich von der gewöhnlichen einfachen Sprechweise mehr
nur durch den gedehnten Satzbau ab. In den Alexanderprologen
hat Rudolf sich durchaus Gotfrid zum Muster genommen1, auch
in den Einleitungen seines Willehalm schwebt ihm vielfach dessen
glänzende Einführung in den Tristan vor, die Minne mit ihrer
zwiespältig wirkenden Kraft stellt er sich in Gotfridschem Sinne
vor und wie Gotfrids Held, so erleidet auch sein Willehalm Not
und Mühsal des Lebens um eines Weibes Liebe, nicht wie Parzival
im Sehnen nach der Menschenerlösung und Gotterkenntnis (Prol.
zum 1. Buch 40ff.). Daneben tritt nun auch Wolframs Einfluß
hervor, doch hat die Anrufung der Frau Aventiure, die dem
Parzival entnommen ist (Parz. IX, 433 f.)2, nur den Wert eines
äußerlichen literarischen Motivs.
Der Prolog zum guten Gerhard.
Ganz im Banne seines Vorbilds Gotfrid stand Rudolf, als
er die Einleitung zu seinem frühesten (uns erhaltenen) Werke
abfaßte. Der Prolog zum guten Gerhard (1—76) ist ein
Muster der hohen Stilgattung, sehr kunstvoll und durch reichsten
Redeschmuck (Wiederholung der den Sinn tragenden Wörter) aus-
gezeichnet. Das Wortspiel mit guot und muot 1 —12 ist unmittelbar
aus Tristan 1—32 übernommen, nur in Epigonenweise noch weit
übertrieben; ebenso das mit lop 37—76 aus Tristan 21—28.
Der Grundplan ist symmetrisch angelegt. Er zerfällt in zwei
Teile. A, 1—36, der allgemeine Moralsatz, besteht aus drei Stücken
zu je zwölf Zeilen: I. 1 — 12 (gut handeln) ist formal bedingt durch
das Schlagwort guot im Wechsel mit muot; II. 13—24 (jedoch
1 v. Kraus, Ztschr. f. A. 56, 43—-45. Die Akrosticha hat Rudolf
sicherlich Gotfrid nachgeahmt, s. v. Kraus, Ztschr. f. d. A. 50, 220—222 u.
51, 356 Anm.; vgl. Herm. Fischer, Münchener S.-Ber. 1916, 5. Abh., S. 25,
Anm. 1.
2 Unter Benutzung von Wirnt, s. Henrich S. 243.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften