Metadaten

Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0070
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
70

Gustav Ehrismann:

denn die durch Redefiguren blümende Ornamentierung ist über-
haupt nicht seine Stilart. Darum hat er dieses Motiv nicht zur Ver-
künstelung übertrieben und dehnt auch nicht die Wiederholung auf
mehrere Begriffe, mit Aneinanderreihung oder Verschlingung, aus,
sondern er hebt nur ein einziges Wort hervor. Ihm dient die Wieder-
holung meistens zur Verdeutlichung und zur Hervorhebung des
Sinnes. Hilfe für seine Seelennot um den Gral ist Parzivals Leitge-
danke auf seiner trostlosen Irrfahrt, Hilfe ist auch das Leitwort im
IX. Buch, in dem erzählt wird, wie er den Helfer Gott sucht und
findet: 442, 9. 447, 29. 30. 450, 20. 21. 451, 13. 18. 20. 21. 22 (zwei-
mal). 452, 5. 8. 460, 30. 461, 13. 23. 24 (zweimal). 25. 26. 30 (zwei-
mal). 462, 1. 10. 15. 16. 468, 9, vgl. auch Willeh. 4, 4—8. Die
Gotteshebe bringt die Erlösung und minne ist das Schlagwort
456, 17—20. 465, 29. 466, 4. 5. 6. 9; gedanc wird wiederholt in
der Belehrung über die Bedeutung der Gedanken für das Buß-
werk 466, 15—29; maget 464, 5. 13. 15. 19. 24—27, siinde
465, 5. 6, erbarmen 465, 7. 8, triuwe 465, 9. 10, gräl 468, 10. 12.
14. 15. 22. Die Wiederholung ist ein nachdrucksvolles Stilmittel in
der geistlichen Beredsamkeit und so ist ihre Verwendung in diesem
IX. Buche des Parzival, das sich in religiösem Gedankenkreise
bewegt, ihrer Bestimmung angemessen. Ein Wortspiel ist pflegent
— pfliget — pflac Parz. 4, 27 — 5, 1 am Beginn der Erzählung (vorher
geht die Einleitung). Keine rhetorische Bedeutung haben Fälle
wie touf 111, 8. 9, haz 114, 6. 18. 19. 21, minne 115, 13—20, buoch
115,26 —116,1, jämer 117,6.7.11: hier hat nur der Sinn der
betreffenden Stelle die Wiederholung veranlaßt. Dagegen ist die
Häufung von minne 76, 23—30., 77, 14 — 18 und griiezen, tröst,
triwe 715, 1—91 ein beabsichtigter Sprachschmuck um die beiden
Liebesbriefe zu dekorieren, und es ist bezeichnend, daß der dritte
Brief, der von Gahmuret an Belakane, von derartigen Blümungen
frei ist, denn er ist kein Liebes- sondern ein Abschiedsbrief.
Ein inhaltlich bedeutsames Kunstmittel aber hat Rudolf doch
Wolfram abgelauscht und hat damit, seiner manierierenden Rich-
tung entsprechend, reichlich gewuchert, das ist das Tageszeiten-
motiv. Wolfram gibt den Vorgängen seiner Erzählung festere
Umrisse dadurch, daß er sie in den Verlauf eines bestimmten
Zeitabschnittes hineinsetzt2. Mit wenigen, doch zuweilen stark
1 Vgl. Singer, Wolframs Stil, S. 21.
2 Alfred Biese, Die Entwicklung des Naturgefuhls, S. 105f.; Elsa
Lina Matz, Formelhafte Ausdrücke in Wolframs Parzival, Diss. Kiel 1907,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften