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Gustav Ehrismann:
wurde dann angewendet auf die dichterischen Übertragungen
biblischer Stoffe, sie befolgte Otfrid, ebenso die Dichter der ad.
Genesis und Exodus, der jüngeren Judith usw., und auf dieser
traditionellen Übung beruht dann der erweiternde Stil Hartmanns
(die sogen, psychologische Vertiefung)1.
Sucht man schließlich die architektonische Manier Rudolfs
unter eine einheitliche Formel zu bringen, so könnte man sagen,
sie besteht in einer starken Ausmeißelung der Form durch Auf-
lösung einer Einheit in eine Vielheit gleichwertiger Teile. Ein
Vergleich mit der Gotik liegt nahe, auch dort die Herrschaft des
Ornamentalen über das Monumentale. Liegt auch beiden die
gleiche Raumanschauung zugrunde ? und vielleicht gar dieselbe
Idee ? Beruhen der Sprachstil Rudolfs und die Gotik in der plasti-
schen Kunst auf gemeinsamen geistigen Bedingungen, wie es bei
der Renaissanceplastik und der Renaissancedichtung der Fall ist,
etwa auf einem gotischen Zeitgeiste ? Ein gewisser Gleichlauf ist
nicht in Abrede zu stellen: die Blüte der gotischen Kunst und die
geblümte Sprache beruhen beide auf einer durch längere Übung
gesteigerten Technik. Aber die florierte Ornamentierung der Rede-
weise ist nur Virtuosität, nur Manier, ein Zeichen von Unvermögen,
die gotischen Dome sind Ergebnisse höchster geistiger und materiel-
ler Kraft. Beide Formerscheinungen haben innerlich nichts mit
einander gemein, die geblümte Rede ist gar keine „Zeitkunst“,
nicht der Ausdruck einer bestimmten Zeitgenossenschaft wie die
Renaissancedichtung, sie ist Schulgewächs aus dem gesunkenen
klassischen Altertum, Asianismus und Gallicanismus, das künst-
lich von den Trivialgelehrten weiter gepflegt wurde, ein Erzeugnis
starrer Tradition, nicht lebendiger Kraft2.
lautet: per totum sermonem aliquod factum augere et amplificare per
doctrinam auctivam, vel aliquod factum per proportionabilem doctrinam
minuere, vel per totum sermonem passionem aliquam inducere vel per totum
sermonem persuadere ad aliquid usw. Viele Beispiele von Wiederholungen in
der Predigt gibt H. Hasse in der Ztschr. f. d. Phil. 44, 3ff. 32ff. 169ff.
1 Firmery, Notes critiques sur quelques traductions allemandes, S. 108ff.;
Ehrismann, Ztschr. f. d. Phil. 45, 306. — Auch die Kürzung des Textes,
minuere, ist für vorkommende Fälle in den Predigtvorschriften empfohlen,
s. die vorige Anmerkung. Wie Rudolf sich gegenüber seinen Quellen ver-
hielt, das nachzuweisen ist Aufgabe von Einzeluntersuchungen.
2 Über Gotik und Reimkunst s. Plenio, Beitr. 41, 127.
Gustav Ehrismann:
wurde dann angewendet auf die dichterischen Übertragungen
biblischer Stoffe, sie befolgte Otfrid, ebenso die Dichter der ad.
Genesis und Exodus, der jüngeren Judith usw., und auf dieser
traditionellen Übung beruht dann der erweiternde Stil Hartmanns
(die sogen, psychologische Vertiefung)1.
Sucht man schließlich die architektonische Manier Rudolfs
unter eine einheitliche Formel zu bringen, so könnte man sagen,
sie besteht in einer starken Ausmeißelung der Form durch Auf-
lösung einer Einheit in eine Vielheit gleichwertiger Teile. Ein
Vergleich mit der Gotik liegt nahe, auch dort die Herrschaft des
Ornamentalen über das Monumentale. Liegt auch beiden die
gleiche Raumanschauung zugrunde ? und vielleicht gar dieselbe
Idee ? Beruhen der Sprachstil Rudolfs und die Gotik in der plasti-
schen Kunst auf gemeinsamen geistigen Bedingungen, wie es bei
der Renaissanceplastik und der Renaissancedichtung der Fall ist,
etwa auf einem gotischen Zeitgeiste ? Ein gewisser Gleichlauf ist
nicht in Abrede zu stellen: die Blüte der gotischen Kunst und die
geblümte Sprache beruhen beide auf einer durch längere Übung
gesteigerten Technik. Aber die florierte Ornamentierung der Rede-
weise ist nur Virtuosität, nur Manier, ein Zeichen von Unvermögen,
die gotischen Dome sind Ergebnisse höchster geistiger und materiel-
ler Kraft. Beide Formerscheinungen haben innerlich nichts mit
einander gemein, die geblümte Rede ist gar keine „Zeitkunst“,
nicht der Ausdruck einer bestimmten Zeitgenossenschaft wie die
Renaissancedichtung, sie ist Schulgewächs aus dem gesunkenen
klassischen Altertum, Asianismus und Gallicanismus, das künst-
lich von den Trivialgelehrten weiter gepflegt wurde, ein Erzeugnis
starrer Tradition, nicht lebendiger Kraft2.
lautet: per totum sermonem aliquod factum augere et amplificare per
doctrinam auctivam, vel aliquod factum per proportionabilem doctrinam
minuere, vel per totum sermonem passionem aliquam inducere vel per totum
sermonem persuadere ad aliquid usw. Viele Beispiele von Wiederholungen in
der Predigt gibt H. Hasse in der Ztschr. f. d. Phil. 44, 3ff. 32ff. 169ff.
1 Firmery, Notes critiques sur quelques traductions allemandes, S. 108ff.;
Ehrismann, Ztschr. f. d. Phil. 45, 306. — Auch die Kürzung des Textes,
minuere, ist für vorkommende Fälle in den Predigtvorschriften empfohlen,
s. die vorige Anmerkung. Wie Rudolf sich gegenüber seinen Quellen ver-
hielt, das nachzuweisen ist Aufgabe von Einzeluntersuchungen.
2 Über Gotik und Reimkunst s. Plenio, Beitr. 41, 127.