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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0090
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90

Gustav Ehrismann:

Der II. Alexander- und der II. Willehalmprolog.
Die Einführung der mhd. Dichter im Alexander beruht auf
Nachahmung Gotfrids. Gezwungen und erkünstelt ist die Vor-
stellung, die Rudolf dem Leser unterbreitet: er legt seinen Meistern,
nicht nur den lebenden sondern auch den verstorbenen, sein
Werk zur Beurteilung vor und bittet um Belehrung in der Dicht-
kunst. Dieser absonderliche Einfall erklärt sich aus einer Vari-
ierung Gotfrids: dieser ruft Apollo und die Camoenen um ihren
Beistand an zu dem kunstvollen Werk, das er jetzt auszuführen
vorhat (4851 ff.). In der Alexanderstelle also befindet sich Rudolf
in unmittelbarem Anschluß an sein Muster Gotfrid, im Willehalm
dagegen bringt er ein neues Moment, ein von Gotfrid abweichendes
Motiv herein, nämlich die Anrufung der Aventiure, das er Wolfram
entnimmt. Und damit ist eine andere künstlerische Richtung
eingeschlagen, der Zug zu Wolfram, der ja überhaupt in der ganzen
Anlage des Willehalm viel stärker hervortritt als im Alexander.
Die Helfer und ihre Belehrung aber erbittet er sich wiederum
abweichend vom Tristan und vom Alexander im Prolog zum
3. Buch, Willeh. 5595 ff. In der völlig auf Nachahmung fremder
Muster und Selbstwiederholung beruhenden Abfassungsweise der
beiden Dichterkataloge äußert sich das Prinzip der Variierung in
folgenden Punkten:1
1. Al. 3063—3112: Anrufung der Meister mit Bitte um
ihren Beistand (Nachahmung von Tristan 4851 ff.) entspricht
Wh. 2143—2172: Zwiegespräch mit der Aventiure (Nachahmung
Wolframs) wegen Weiterführung des Gedichtes.
2. Al. 3113—3268 = Wh. 2173—2300: die einzelnen Dich-
ter2. Die Variierung besteht, abgesehen von der formal viel kunst-
1 Von nun an wird die Priorität des Alexander vor dem Willehalm als
tatsächlich vorausgesetzt.
2 Ähnlich wie Rudolf hier seine Demutsbezeugung dadurch aus-
drückt. daß er die Aventiure an bessere Meister verweist, bei denen sie eine
kunstvollere Behandlung erfahren haben würde, beruft Konrad von Würz-
burg in der goldenen Schmiede 94—-103 Gotfrid von Straßburg als den am
meisten geeigneten Verfasser eines Loblieds auf Maria, vgl. der het(e)... dich
gerüemet baz denne ich . . . iemer kiinne d,ich getuon gegen Rudolfs Wh. 2230f.
Ouch hete iuch der Stricksere Baz denne ich berihtet, vgl. auch 2191. 2243f. u. ö.
Aus einer Vergleichung jener Verse Konrads mit den entsprechenden Stellen
in Rudolfs Dichterverzeichnis im Wh. geht unzweifelhaft hervor, daß het(e)
Konj. Plusquampfct. ist, und ferner, daß Konrad, so wie Rudolf, nur sagen
will: ein so glänzender Stilist wie mein Vorbild Gotfrid hätte das Lob der
 
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