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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0098
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98

Gustav Ehrismann:

schließen, der seine Fortsetzung des Tristan ebenfalls dem Schenken
gewidmet hatte. Ulrichs Werke haben bei weitem nicht die glän-
zende Form, die blühende Sprache wie die früheren Werke Rudolfs,
der g. Gerhard und der Barlaam, und der gleichen einfacheren
Richtung folgt Rudolf im Willehalm, indem hier die florierenden
Stilmittel nicht so künstlerisch ausgetüftelt sind wie in jenen
beiden früheren Dichtungen. Mit den drei genannten Lyrikern1
berührt sich Rudolfs Willehalm gerade durch jenen Zug, der ihn
vom g. Gerhard und Barlaam unterscheidet, durch eine Neigung
zum wirklichen Leben. Nachahmer von Gotfrids Kunst sind auch,
wie Rudolf, Ulrich von Türheim und besonders Gotfrid von Neifen
mit seinen Wortwiederholungen und Wortspielen, grammatischen
Reimen und Alliterationen, und selbst der mehr mit Wolfram
verwandte Burkhard von Hohenfels hat Anklänge an Gotfrids Stil.
Im Sinne dieser schwäbischen Adelsgesellschaft arbeitete nun
auch Rudolf. Nach seiner eigenen Schätzung mochte diese neu
von ihm angenommene Dichtart nicht minderwertiger sein als seine
alte, demnach bedeutete die neue Formensprache des Willehalm
nicht lediglich eine Verringerung, sondern zugleich eine prinzipielle
Stilwandlung, und damit hat er gewiß den Geschmack seines
Publikums, selbst des deutschen Königs in dessen Auftrag er die
Weltchronik dichtete, getroffen. Er ist in ein anderes Stadium
seines Schaffens eingetreten, das objektiv einen künstlerischen
Rückschritt bedeutet, subjektiv aber in der Schätzung des Dichters
und vieler seiner Zeitgenossen nicht so sehr als solcher emp-
funden wurde.
Der Unterschied des Willehalm gegenüber dem g. Gerhard
und dem Barlaam liegt hauptsächlich in der sprachlichen Form:
die idealisierte Sprache dieser seiner beiden ersten Dichtungen ist
vergröbert, sie hat realistische Züge angenommen, sie ist der
gewöhnlichen Ausdrucksweise genähert, ist weniger dichterisch
stilisiert, hat geringeren poetischen Gehalt, auch sind die Schmuck-
mittel, Wortwiederholungusw., in beschränkterem Maße verwendet2.

1 Gustav Knod, Gottfried von Neifen und seine Lieder, S. 29ff.; Max
Sydow, Burkart von Hohenfels, S. 21 ff.; Mohr, Das unhöfische Element
in der mhd. Lyrik von Walther an, Tübinger Diss. 1913, S. 78—88.
2 Ähnlich wie in Rudolfs Willehalm gegenüber den früheren Gedichten
eine Mäßigung des hohen Stils zu einfacheren Ausdrucksformen vollzogen wurde,
ist das Verfahren des Redaktors der Münchener Tristanhs. gegenüber dem
 
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