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Lenel, Otto; Partsch, Josef; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 1. Abhandlung): Zum sog. Gnomon des Idios logos — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37768#0015
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Zum sog. Gnomon des Idios Logos.

7

allen Sätzen, die Bezug zu alexandrinischem Stadtrecht haben1,
ein griechischer Urtext zugrunde. Schon die Bezeichnung der
alexandrinischen Stadtbürger als άστοί schlechtweg stammt
schwerlich aus dem Lateinischen. In c. 5 und 9 begegnen wir der
Wendung εάν ώσι καί επιδικάζονται. Έάν ώσι ist griechischer Stil
der gesetzlichen Erbfolgeordnungen.2 ΈπιδικάζεσΕαι ist das übliche
griechische Wort für die Anmeldung des Erbrechts der Seiten-
verwandten und der durch Testament oder Adoption berufenen
Erben bei der Nachlaßgcrichtsbehörde3; dafür gibt es keinen
lateinischen Parallelbegriff, wenn auch die römische Anmeldung
der bonorum possessio eine Nachbildung der Epidikasie sein dürfte.
In c. 6 ist γενεά nachweislich der technische Ausdruck des alexan-
drinischen Stadtrechts4; περιουσία kommt bezeichnenderweise im
Text nur an dieser Stelle für den Nachlaß vor, — auch dies wohl
ein Terminus der alexandrinischen Stadtgesetze. Auch die scharfe
Scheidung, die in c. 6 hinsichtlich der Bedenkung der Ehefrau
zwischen dem Testament bei unbeerbter Ehe und der elterlichen
Teilung (μερίζειν) bei beerbter Ehe5 gemacht wird, geht auf
griechische Gesetzessprache zurück. In c. 45 ist die Bezeichnung
der Errungenschaft6 (τά επίκτητα) dem alexandrinischen Stadtrecht
entlehnt. In c. 46 verrät sich der griechische Ursprung7 durch
das άνευΕύνους είναι, — das griechische Recht straft den Bürger,
der eine Fremde heiratet. Aber auch abgesehen von solchen
Sätzen, die sich deutlich an griechisches Gesetzesrecht anlehnen,
ist vieles im Text sicher ohne lateinische Grundlage. Es ist daran
zu erinnern, daß die amtsrechtlichen römischen Ordnungen in
Ägypten, wie das ja nach zahlreichen Präfektenedikten feststeht,
vielfach griechisch abgefaßt waren. So ist der Begriff der άκαταλ-
ληλία (c. 37, 43, 52) ins Lateinische nicht zu übertragen. Ebenso-

1 S. z. ß. c. 5—7. 9—15. 45-49.
2 Vgl. die attische Stilisierung in den Gesetzen über die Erbfolge der
Seitenverwandten, Demosth. or. 43,51 f. p. 1067 : εάν μέν ώσι_έάν δε μή ώσι
Ähnlich auch Gortyn. col. IY. 40: λαγκάνεν τ'ος μέν υίΰνς όπόττοι κ’ ί'οντι /έκαστον.
3 Vgl. dazu Meier-Schömann-Lipsius2 60Βf., Lipsius, Attisches
Recht S. 519 f.
4 Pap. Hai. 1,218, dazu Herausgeber Dikaiomata 121.
5 Dazu Kreller, Erbrechtl. Untersuchungen S. 241 f.
6 Dazu Gortyn III 25 f.
7 Die Erwähnung auch der Römer — 'Ρωμαίους καί — dürfte hier von
dem Bearbeiter hinzugefügt sein, dem das römische Senatuskonsult über die
probatio causae (Gai. 1, 67) vorschweben mochte.
 
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