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Lenel, Otto; Partsch, Josef; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 1. Abhandlung): Zum sog. Gnomon des Idios logos — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37768#0032
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Μ

Ο. Lenel und J. Partsch:

setzer hat nämlich hier offenbar seine lateinische Vorlage nicht
verstanden. Schubart bemerkt: «κουη εμπτιωνα offenbar latei-
nisch; ein kleiner Zwischenraum legt nahe, zwei Wörter anzu-
nehmen und zu deuten quae emptionem .... Wielleicht enthält
aber die ganze Gruppe nur ein Wort.» Er übersetzt dann genau
nach dem griechischen Text: «Einer Römerin ist es nicht erlaubt,
über die sog. quae emptionem hinaus zu vermachen.» Das ergibt
keinen denkbaren Sinn. Der Jurist aber, der an die Stelle heran-
tritt, muß sofort an die bekannte coemptio testamenti faciendi
gratia denken, ohne deren vorgängige Vornahme bis auf Hadrian
keine Frau testieren konnte (Gai. 1,115a). Im lateinischen Urtext
wird gestanden haben, wahrscheinlich der ursprünglichen forma
D. Augusti entnommen:
Mulieri Romanae praeterquam coemptione facta testari
non licet.
Der Grieche wußte mit der ihm unbekannten coemptio
nichts anzufangen und mißverstand daher auch das Wort praeter-
quam, das er falsch mit υπέρ übersetzte, so als ob praeterquam
usw. die Grenze der Verfügungsfreiheit der Frau bezeichnen sollte.
Man darf hiegegen nicht einwenden, daß unser Auszug aus einer
Zeit stammt, wo das Erfordernis der coemptio bereits beseitigt war.
Der Übersetzer wußte ja gar nicht, worum es sich handelte, und
nahm daher blind den veralteten Satz auf.
Auch in dem zweiten Satz der Stelle
auferebatur autem etiam legatum a Romana adulescenti
Romanae relictum
dürfte es sich um eine vielleicht schon veraltete Bestimmung
handeln. Unser Bericht bringt diesen Satz im Anschluß an den
unverstandenen ersten Satz, so als ob er mit diesem in Beziehung
stände. Das ist ganz unmöglich; solange das Erfordernis der
coemptio in Geltung war, war das ohne sie errichtete Frauen-
testament nichtig und konnte niemals zur Einziehung des darin
Hinterlassenen führen. Die Anknüpfung des zweiten Satzes an
den ersten erklärt sich wohl einfach daraus, daß er in der Vor-
lage hinter diesem stand. Wir kennen nur ein einziges römisches
Gesetz, das den letztwilligen Erwerb durch Frauen Beschränkungen
unterwarf: die lex Voconia. Nach diesem Gesetz konnte bekannt-
lich einer Frau wirksam nicht mehr legiert werden, als dem
Erben oder, wenn es deren mehrere sind, der Gesamtheit der
Erben bleibt, und zwar hatte diese Vorschrift höchstwahrscheinlich
 
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