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Heinrich Vogt:
II. Die Beobachtung.
Die Aufgabe. Aus Synt. VIII, 5, 6 und dem Vorwort von
Buch II der Phaseis kennen wir die Anforderungen, welche Ptole-
mäus an einen in seinem Sinne modernen Fixsternkalender stellt,
und den Plan der Ausführung. Meine bisherige Untersuchung hat
gezeigt, daß er seinem Plane darin treu geblieben ist, daß er nicht
irgendwelche schematische Sehungsbogen verwendet. Offen bleibt
die Frage, ob er wirklich, wie er plant, jede Phase eines Sterns in
einer Breite entweder selbst beobachtet oder dafür eine fremde
Beobachtung benutzt und aus dem ermittelten Sehungsbogen die
Phasen für die 4 andern Breiten durch Rechnung oder am Globus
hergeleitet hat. Wir haben das unbegrenzte Vertrauen zu Ptole-
mäus’ Zuverlässigkeit verloren. Es dürfte auch in diesem allge-
meineren Interesse nicht ohne Wert sein, wenn es durch Fortführung
der inneren Analyse gelänge, festzustellen, ob und mit welcher
Genauigkeit Ptolemäus sein Programm durchgeführt hat.
Fehlender Maßstab. Besäßen wir aus alter oder neuer Zeit
irgendwelche nach Ort und Zeit und Beobachtungsbedingungen
vollkommen gesicherte Phasenbeobachtungen, so läge uns nur die
leichte Arbeit ob, an den aus ihnen gewonnenen Konstanten H90
und d durch Anwendung der Oppolzer sehen Formel die Ptole-
mäischen Sehungsbogen zu prüfen. Leider aber hält von der
ganzen Fülle der antiken Fixsternkalender, einschließlich der baby-
lonischen1, nicht einer der Prüfung auf astronomische Realität
stand. Volkstümliche Überlieferung, gelehrte Spekulation, Stern-
bilder statt Einzelsterne, zu schwache Sterne, Verschiebung in
Breiten und Zeiten machen sie sämtlich unbrauchbar, wenn es sich
darum handelt, astronomische Konstanten wie die Sehungsbogen
aus ihnen zu bestimmen. Das hat schon Ptolemäus erkannt (Pha-
seis II cap. 9). Aus neuerer Zeit aber liegen nur vereinzelte, meist
unter ungünstigen oder nicht scharf definierten Umständen ange-
stellte Versuche der Fixsternphasenbeobachtung vor; von Julius
Schmidt2 in Athen 1859—1860, E. W. Hartwig Schwerin 1861,
G. Hofmann3 Triest 1879, Penrose4 auf See veröffentlicht 1893.
1 Anders die babylonischen Planetenphasen; s. unten S. 38—40.
2 Bei Hartwig a. a. O.
3 a. a. O.
4 On the Results of an Examination of the Orientation of a Number of
Greek Temples. Transactions of the Roy. Soc. of. London 1893. Vol. 184A,
pag. 818.
Heinrich Vogt:
II. Die Beobachtung.
Die Aufgabe. Aus Synt. VIII, 5, 6 und dem Vorwort von
Buch II der Phaseis kennen wir die Anforderungen, welche Ptole-
mäus an einen in seinem Sinne modernen Fixsternkalender stellt,
und den Plan der Ausführung. Meine bisherige Untersuchung hat
gezeigt, daß er seinem Plane darin treu geblieben ist, daß er nicht
irgendwelche schematische Sehungsbogen verwendet. Offen bleibt
die Frage, ob er wirklich, wie er plant, jede Phase eines Sterns in
einer Breite entweder selbst beobachtet oder dafür eine fremde
Beobachtung benutzt und aus dem ermittelten Sehungsbogen die
Phasen für die 4 andern Breiten durch Rechnung oder am Globus
hergeleitet hat. Wir haben das unbegrenzte Vertrauen zu Ptole-
mäus’ Zuverlässigkeit verloren. Es dürfte auch in diesem allge-
meineren Interesse nicht ohne Wert sein, wenn es durch Fortführung
der inneren Analyse gelänge, festzustellen, ob und mit welcher
Genauigkeit Ptolemäus sein Programm durchgeführt hat.
Fehlender Maßstab. Besäßen wir aus alter oder neuer Zeit
irgendwelche nach Ort und Zeit und Beobachtungsbedingungen
vollkommen gesicherte Phasenbeobachtungen, so läge uns nur die
leichte Arbeit ob, an den aus ihnen gewonnenen Konstanten H90
und d durch Anwendung der Oppolzer sehen Formel die Ptole-
mäischen Sehungsbogen zu prüfen. Leider aber hält von der
ganzen Fülle der antiken Fixsternkalender, einschließlich der baby-
lonischen1, nicht einer der Prüfung auf astronomische Realität
stand. Volkstümliche Überlieferung, gelehrte Spekulation, Stern-
bilder statt Einzelsterne, zu schwache Sterne, Verschiebung in
Breiten und Zeiten machen sie sämtlich unbrauchbar, wenn es sich
darum handelt, astronomische Konstanten wie die Sehungsbogen
aus ihnen zu bestimmen. Das hat schon Ptolemäus erkannt (Pha-
seis II cap. 9). Aus neuerer Zeit aber liegen nur vereinzelte, meist
unter ungünstigen oder nicht scharf definierten Umständen ange-
stellte Versuche der Fixsternphasenbeobachtung vor; von Julius
Schmidt2 in Athen 1859—1860, E. W. Hartwig Schwerin 1861,
G. Hofmann3 Triest 1879, Penrose4 auf See veröffentlicht 1893.
1 Anders die babylonischen Planetenphasen; s. unten S. 38—40.
2 Bei Hartwig a. a. O.
3 a. a. O.
4 On the Results of an Examination of the Orientation of a Number of
Greek Temples. Transactions of the Roy. Soc. of. London 1893. Vol. 184A,
pag. 818.