Friedrich Brie:
ansgeht, die Tatsache, daß innerhalb der englischen Literatur
überhaupt eine exotistische Geistesrichtung erwachen und sich
entfalten konnte. Spielt doch der ennui, dem wir immer wieder
als dem besten Nährboden des Exotismus begegnen werden, in
der englischen Literatur trotz Lord Byron eine verhältnismäßig
geringe Rolle. Aber man darf nicht vergessen, daß in keinem
Lande der Abstand zwischen Künstler und Bürger so groß ist
als in England und sich gerade dadurch leichter als etwa in
Deutschland innerhalb des Künstlertums antibürgerliche Nei-
gungen und ein Ästhetentum entwickeln konnten, die den Weg
zum Exotismus bereiteten.
Ausgeprägte Merkmale des Exotismus glauben wir z'urn ersten
Male in der englischen Literatur feststellen zu können bei dem
jungen William Beckford (1760—1844), dem Verfasser des
orientalischen Romans Yathek. Auch bei ihm ist der Exotis-
mus ein Kind des ennui. Obwohl Erbe eines riesigen Vermögens
und durch vornehme Familienbeziehungen zu einer glänzenden
äußeren Laufbahn vorausbestimmt, ist er frühzeitig ein Opfer
dieser Krankheit. Mit achtzehn Jahren stellt er bereits fest, daß
er mit dieser ganzen Welt von Ehrgeiz, Politik und Erfolg nichts zu
tun haben will, weil ihn eine andere Welt, die seiner orientalischen
Träumereien, übermächtig anzieht.18 Obwohl intimere Selbst-
bekenntnisse fehlen, können wir doch an der Hand der Briefe
eine leidliche Vorstellung von seiner eigenartigen Veranlagung
gewinnen; ohne weiteres werden wir dabei annehmen dürfen,
daß seine exotistischen Neigungen in Wirklichkeit noch ausge-
prägter gewesen sind, als diese an andere gerichteten Zeugnisse
verraten. Wie kaitm bei einem anderen Schriftsteller lassen sich
bei ihm - Züge von Exotismus bereits in früher Kindheit fest-
stellen. „Tausend und eine Nacht“ macht auf den Knaben be-
reits einen solchen Eindruck, daß der Vater die weitere Lektüre
des Werks untersagt. Aus den Jugendbriefen ersehen wir, daß
seine Natur die eines richtigen Visionärs ist, der in seinem
Trancezustand Verstand und Gedächtnis ausschaltet und nur
noch halb sieht und hört.19 Immer wieder sucht er diese Dreams,
Visions, magie Slumbers oder Trances auf, die ihn aus dieser
18 Vgl. LEWIS Melville, The Life and Letters of William Beckford,
London 1910, S. 62 ff.
19 Vgl. BECKFORDS eigene Beschreibung seines visionären Zustandes,
a, a. 0„ S. 81 and 153,
ansgeht, die Tatsache, daß innerhalb der englischen Literatur
überhaupt eine exotistische Geistesrichtung erwachen und sich
entfalten konnte. Spielt doch der ennui, dem wir immer wieder
als dem besten Nährboden des Exotismus begegnen werden, in
der englischen Literatur trotz Lord Byron eine verhältnismäßig
geringe Rolle. Aber man darf nicht vergessen, daß in keinem
Lande der Abstand zwischen Künstler und Bürger so groß ist
als in England und sich gerade dadurch leichter als etwa in
Deutschland innerhalb des Künstlertums antibürgerliche Nei-
gungen und ein Ästhetentum entwickeln konnten, die den Weg
zum Exotismus bereiteten.
Ausgeprägte Merkmale des Exotismus glauben wir z'urn ersten
Male in der englischen Literatur feststellen zu können bei dem
jungen William Beckford (1760—1844), dem Verfasser des
orientalischen Romans Yathek. Auch bei ihm ist der Exotis-
mus ein Kind des ennui. Obwohl Erbe eines riesigen Vermögens
und durch vornehme Familienbeziehungen zu einer glänzenden
äußeren Laufbahn vorausbestimmt, ist er frühzeitig ein Opfer
dieser Krankheit. Mit achtzehn Jahren stellt er bereits fest, daß
er mit dieser ganzen Welt von Ehrgeiz, Politik und Erfolg nichts zu
tun haben will, weil ihn eine andere Welt, die seiner orientalischen
Träumereien, übermächtig anzieht.18 Obwohl intimere Selbst-
bekenntnisse fehlen, können wir doch an der Hand der Briefe
eine leidliche Vorstellung von seiner eigenartigen Veranlagung
gewinnen; ohne weiteres werden wir dabei annehmen dürfen,
daß seine exotistischen Neigungen in Wirklichkeit noch ausge-
prägter gewesen sind, als diese an andere gerichteten Zeugnisse
verraten. Wie kaitm bei einem anderen Schriftsteller lassen sich
bei ihm - Züge von Exotismus bereits in früher Kindheit fest-
stellen. „Tausend und eine Nacht“ macht auf den Knaben be-
reits einen solchen Eindruck, daß der Vater die weitere Lektüre
des Werks untersagt. Aus den Jugendbriefen ersehen wir, daß
seine Natur die eines richtigen Visionärs ist, der in seinem
Trancezustand Verstand und Gedächtnis ausschaltet und nur
noch halb sieht und hört.19 Immer wieder sucht er diese Dreams,
Visions, magie Slumbers oder Trances auf, die ihn aus dieser
18 Vgl. LEWIS Melville, The Life and Letters of William Beckford,
London 1910, S. 62 ff.
19 Vgl. BECKFORDS eigene Beschreibung seines visionären Zustandes,
a, a. 0„ S. 81 and 153,