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Brie, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 3. Abhandlung): Exotismus der Sinne: eine Studie zur Psychologie der Romantik — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37770#0024
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Friedrich Brie:

nügen, um von der Art dieser Träume einen Begriff zu geben23:
„Alsdann stieg ich die Stufen hinauf, die zu einer riesigen, mar-
morgepflasterten Halle führten, und setzte mich auf orientalische
Weise auf brokatene Kissen nahe bei einem lodernden Feuer
und wurde mit Tee und einer Art Weißbrot bedient, das den
Atlantischen Ozean durchfahren hatte. Inzwischen wanderten
meine Gedanken in das Innere Afrikas und verweilten für Stunden
in den Ländern, die ich liebe. Seltsame Geschichten vom Berge
Atlas und Berichte von Reisenden ergötzten meine Phantasie.
Bald bildete ich mir ein, die Marmorpaläste äthiopischer Fürsten
an dem grünen, waldigen Ufer von Seen zu erblicken, die in
Sandwüsten und Wildnissen liegen, bald fühlte ich mich versetzt
nach den Felsen von Carena, wo Atlantes vergeblich Rugiero vor
den Gefahren des Krieges zu bewahren versuchte. Einige Minuten
später fand ich mich vor einem dichten Walde, wo ich reißenden
Wasserfällen lauschte, geschützt vor der Sonnenhitze durch das
Blätterwerk. Ich war voll Staunen über die Szenerie, als ein
stattlicher, schöner Neger die Abhänge des Hügels herabkam
und, ohne die Lippen zu bewegen, mir zu verstehen gab, daß
ich mich in Afrika befand, an den Ufern des Nils unterhalb der
Berge von Amara. Ich folgte seinen Schritten durch eine Un-
endlichkeit unregelmäßiger Täler, die mit Felsen umrahmt waren
und erfüllt waren von wohlriechenden Pflanzen, bis wir bei einer
ausgehöhlten Bergspitze anlangten; nachdem wir ein Labyrinth
von Pfaden, die zum Gipfel führten, erforscht hatten, öffnete sich
vor uns eine weite Höhle. Hier überblickte ich Landschaften
der romantischsten Art, schmeckte ich Früchte und roch ich
Düfte, die meine Sinne entzückten. Ich war ganz Entzücken und
Erstaunen.. Wir betraten die Höhle und fielen ausgestreckt nieder
vor der heiligen Quelle des Nils, die schweigend einer tiefen
Kluft im Felsen entspringt. Plötzlich erhob sich der Geist von
Vater TJreta wie ein Nebel von dem Abgrund, ergriff mich mit
seiner Einwirkung, enthüllte mir das Innere der Höhle, stieg
durch das Gebirge empor und brachte mich schnell nach einem
Schloß, das mit vielen Türmen von grotesker Architektur ver-
ziert war usw. usw.“ Auch auf seinen Reisen in Belgien, Deutsch-
land und Italien bleibt Beckfords Stellung zum Orient immer die
consecrated vestments: the very temple beg;an to rise upon my sight . ., . Vgl.
auch den Brief aus Rom vom 29. Oktober 1780.
23 Brief vom 4. Dezember 1778; a. a. 0., S. 62ff.
 
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