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Friedrich Brie:
and susceptible Imagination, welche die Natur mit Gottheiten
bevölkert, ist selbstverständlich.38
Schwierigere Probleme als bei Beckford bieten die exo-
tistischen Neigungen bei dem vielseitigsten der englischen Ro-
mantiker, bei S. T. Coleridge (1772—1834). Von vornherein
ist festzustellen, daß Coleridge viel zu sehr erfüllt ist von poli-
tischen, sozialen, religiösen und metaphysischen Interessen, als
daß seine exotistische Veranlagung zu freier Entfaltung hätte
gelangen können. Immerhin haben wir mit der bedeutsamen Er-
scheinung zu rechnen, daß er sein halbes Leben hindurch immer
wieder versucht hat, sich mit Hilfe des Opiums aus der Gegen-
wart in eine Welt von bunten und beseeligenden Eindrücken zu
flüchten. In einem Briefe an Gillman spricht er von einem
25jährigen Schwelgen in Opium, das der Fluch und die Ver-
wüstung seines Lebens geworden sei.39 Aus welchem Grunde
er ursprünglich zum Opium griff, ist für unsere Frage gleich-
gültig. Nach einer Mitteilung von De Ouincey40, mit dem er
ganz offen über die Wirkungen des Opiums zu sprechen pflegte,
betrachtete er den Genuß des Giftes als a source of luxurious
sensations. Die Wirkungen und Widerspiegelungen dieser
zweiten Welt im Leben und in der Produktion von Coleridge
festzustellen, ist hier nicht unsere Aufgabe; sie gehen weit über
das hinaus, was man bisher vermutet hat.41 Was er in seinen
Opiumvisionen suchte und fand, ist bei seiner Verschwiegenheit
in diesem Punkte nicht ohne weiteres zu erraten. Einige An-
38 8. November 1780; 19. September 1787 [Italy],
39 Vgl. De QU1NCEY, Works ecl. Massen V, 205.
40 A. a. 0. II, 184; III, 225.
41 In seinem Werke „S. T. Coleridge und die englische Romantik“’.(S>. 191 ff.)
sowie in seiner Ausgabe von • Coleridges „Notizbuch 1795—98“ (A. f. h. Spr. 97)
hat Braindl bereits 'eine ganze Reibe von Einzelheiten bei Coleridge auf Wirkungen
des Opiums zurückgeführt. Ohne Zweifel stehen aber auch die vielen anderen
eigentümlichen Detailbeobachtungen von Coleridge über Farben, Lichtwirkungen,
Gerüche Usw. (betute am besten in Anima Poetae und in den Briefen zu finden)
mit dem Opiumgenuß in Zusammenhang. Es mag genügen, darauf hinzuweisen,
wie Poe genau dieselben Erscheinungen als Symptome der Morphiumwirkung
bei seinem Helden Bedloe (Tale of the Rag ged Mountains) hinstellt: In the
quivering of a leaf •— in the hue of a blade of grass — in the shape of a.
trefoil — in the hümming of a bee — in the glearping of a dew-drop —
in the breathing of the wind —, in the faint odours that came frtoän the forest -—
there came a whole universe of Suggestion — a gay and mjotley train of
rhapsodical and immethodical tbought.
Friedrich Brie:
and susceptible Imagination, welche die Natur mit Gottheiten
bevölkert, ist selbstverständlich.38
Schwierigere Probleme als bei Beckford bieten die exo-
tistischen Neigungen bei dem vielseitigsten der englischen Ro-
mantiker, bei S. T. Coleridge (1772—1834). Von vornherein
ist festzustellen, daß Coleridge viel zu sehr erfüllt ist von poli-
tischen, sozialen, religiösen und metaphysischen Interessen, als
daß seine exotistische Veranlagung zu freier Entfaltung hätte
gelangen können. Immerhin haben wir mit der bedeutsamen Er-
scheinung zu rechnen, daß er sein halbes Leben hindurch immer
wieder versucht hat, sich mit Hilfe des Opiums aus der Gegen-
wart in eine Welt von bunten und beseeligenden Eindrücken zu
flüchten. In einem Briefe an Gillman spricht er von einem
25jährigen Schwelgen in Opium, das der Fluch und die Ver-
wüstung seines Lebens geworden sei.39 Aus welchem Grunde
er ursprünglich zum Opium griff, ist für unsere Frage gleich-
gültig. Nach einer Mitteilung von De Ouincey40, mit dem er
ganz offen über die Wirkungen des Opiums zu sprechen pflegte,
betrachtete er den Genuß des Giftes als a source of luxurious
sensations. Die Wirkungen und Widerspiegelungen dieser
zweiten Welt im Leben und in der Produktion von Coleridge
festzustellen, ist hier nicht unsere Aufgabe; sie gehen weit über
das hinaus, was man bisher vermutet hat.41 Was er in seinen
Opiumvisionen suchte und fand, ist bei seiner Verschwiegenheit
in diesem Punkte nicht ohne weiteres zu erraten. Einige An-
38 8. November 1780; 19. September 1787 [Italy],
39 Vgl. De QU1NCEY, Works ecl. Massen V, 205.
40 A. a. 0. II, 184; III, 225.
41 In seinem Werke „S. T. Coleridge und die englische Romantik“’.(S>. 191 ff.)
sowie in seiner Ausgabe von • Coleridges „Notizbuch 1795—98“ (A. f. h. Spr. 97)
hat Braindl bereits 'eine ganze Reibe von Einzelheiten bei Coleridge auf Wirkungen
des Opiums zurückgeführt. Ohne Zweifel stehen aber auch die vielen anderen
eigentümlichen Detailbeobachtungen von Coleridge über Farben, Lichtwirkungen,
Gerüche Usw. (betute am besten in Anima Poetae und in den Briefen zu finden)
mit dem Opiumgenuß in Zusammenhang. Es mag genügen, darauf hinzuweisen,
wie Poe genau dieselben Erscheinungen als Symptome der Morphiumwirkung
bei seinem Helden Bedloe (Tale of the Rag ged Mountains) hinstellt: In the
quivering of a leaf •— in the hue of a blade of grass — in the shape of a.
trefoil — in the hümming of a bee — in the glearping of a dew-drop —
in the breathing of the wind —, in the faint odours that came frtoän the forest -—
there came a whole universe of Suggestion — a gay and mjotley train of
rhapsodical and immethodical tbought.