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Friedrich Brie:
vor uns haben, darunter der Spaltung in Idol, Priester und
Opfer, der wir bei Baudelaire wieder begegnen werden.44 Wegen
ihrer Wichtigkeit geben wir die Stelle in ihrem ganzen Umfang
wieder. De Ouincey hat das Geheimnis geschildert, das über
Asien liegt, und gibt im Anschluß daran eine kurze Übersicht
über seine qualvollen orientalischen Träume: „Unter dem ver-
einten Gefühl tropischer Hitze und scheitelrechter Sonnenstrahlen
brachte ich alle Geschöpfe zusammen^ Vögel, Säugetiere, Rep-
tilien, alle Bäume und Pflanzen, Gebräuche und Erscheinungen,
die sich in irgendwelchen tropischen Gegenden finden, und ver-
einigte sie in China oder Hindostan. Aus ähnlichen Gefühlen
brachte ich bald auch Ägypten und seine Götter unter denselben
Zwang. Affen, Papageien, Kakadus starrten mich an, fletschten
nach mir, grinsten und schrien mich an. Ich flüchtete mich in
Pagoden hinein und wurde jahrhundertelang in der Kuppel oder
in geheimen Räumen festgehalten; bald war ich der Götze, bald
der Priester; bald betete man mich an, bald schlachtete man
mich als Opfer. Ich floh vor dem Zorne Brahmas durch alle
Wälder Asiens; Wischnu haßte mich, Schiwa stellte mir nach.
Ich stieß plötzlich auf Isis und Osiris. Sie sagten, ich hätte eine
Tat begangen, über die der Ibis und das Krokodil zitterten. Man
begrub mich für ein Jahrtausend in Steinsärgen mit Mumien und
Sphinxen, in engen Kammern im Herzen der ewigen Pyramiden.
Krokodile gaben mir pesthauchende Küsse, und ich lag, zu-
sammen mit allen unaussprechlichen Schleimdingen, unter dem
Schilf und Schlamm des Nil.“
In weit höherem Maße als Coleridge hat De Ouincey gewagt,
die Eindrücke seiner Opiumvisionen ihrer verworrenen Zufällig-
keit zu entkleiden und literarisch zu verwerten. Der Ursprung
der so entstandenen Schilderungen ist leicht daran zu spüren,
daß sich in ihnen die für die Opiumvision typischen Verände-
rungen des Gefühls für Raum und Zeit finden; erweitert sich
44 Schon kurz vorher findet sich bei Maturin, einem der exzentrischsten
Romantiker, der allen möglichen Emotionen nachzujagen pflegte und der auch
die Vorstellungen der Rauschzustände genau- kannte, eine Beobachtung, die
unter den Begriff der Spaltung der Persönlichkeit fällt. Als in Melmoth the
Wanderer (1820) der Held zuschaut, wie jemand von der Volksmenge aufs
schrecklichste gelyncht wird, heißt es: I actulally believed myself the object
of .their cruelty. The drama of teruor has the irresistible power of eonverting
its audietoce into its victims (©d. 1892 II149).
Friedrich Brie:
vor uns haben, darunter der Spaltung in Idol, Priester und
Opfer, der wir bei Baudelaire wieder begegnen werden.44 Wegen
ihrer Wichtigkeit geben wir die Stelle in ihrem ganzen Umfang
wieder. De Ouincey hat das Geheimnis geschildert, das über
Asien liegt, und gibt im Anschluß daran eine kurze Übersicht
über seine qualvollen orientalischen Träume: „Unter dem ver-
einten Gefühl tropischer Hitze und scheitelrechter Sonnenstrahlen
brachte ich alle Geschöpfe zusammen^ Vögel, Säugetiere, Rep-
tilien, alle Bäume und Pflanzen, Gebräuche und Erscheinungen,
die sich in irgendwelchen tropischen Gegenden finden, und ver-
einigte sie in China oder Hindostan. Aus ähnlichen Gefühlen
brachte ich bald auch Ägypten und seine Götter unter denselben
Zwang. Affen, Papageien, Kakadus starrten mich an, fletschten
nach mir, grinsten und schrien mich an. Ich flüchtete mich in
Pagoden hinein und wurde jahrhundertelang in der Kuppel oder
in geheimen Räumen festgehalten; bald war ich der Götze, bald
der Priester; bald betete man mich an, bald schlachtete man
mich als Opfer. Ich floh vor dem Zorne Brahmas durch alle
Wälder Asiens; Wischnu haßte mich, Schiwa stellte mir nach.
Ich stieß plötzlich auf Isis und Osiris. Sie sagten, ich hätte eine
Tat begangen, über die der Ibis und das Krokodil zitterten. Man
begrub mich für ein Jahrtausend in Steinsärgen mit Mumien und
Sphinxen, in engen Kammern im Herzen der ewigen Pyramiden.
Krokodile gaben mir pesthauchende Küsse, und ich lag, zu-
sammen mit allen unaussprechlichen Schleimdingen, unter dem
Schilf und Schlamm des Nil.“
In weit höherem Maße als Coleridge hat De Ouincey gewagt,
die Eindrücke seiner Opiumvisionen ihrer verworrenen Zufällig-
keit zu entkleiden und literarisch zu verwerten. Der Ursprung
der so entstandenen Schilderungen ist leicht daran zu spüren,
daß sich in ihnen die für die Opiumvision typischen Verände-
rungen des Gefühls für Raum und Zeit finden; erweitert sich
44 Schon kurz vorher findet sich bei Maturin, einem der exzentrischsten
Romantiker, der allen möglichen Emotionen nachzujagen pflegte und der auch
die Vorstellungen der Rauschzustände genau- kannte, eine Beobachtung, die
unter den Begriff der Spaltung der Persönlichkeit fällt. Als in Melmoth the
Wanderer (1820) der Held zuschaut, wie jemand von der Volksmenge aufs
schrecklichste gelyncht wird, heißt es: I actulally believed myself the object
of .their cruelty. The drama of teruor has the irresistible power of eonverting
its audietoce into its victims (©d. 1892 II149).