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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0006
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E. Frh. v. Künssberg :

anderes Spiel und in aller Regel wird von ihm auch nichts weiter
als heitere, spielende Anwesenheit verlangt. Die Rechtshandlung
würde ebenso gültig sein, auch wenn keine Kinder zugegen wären,
aber ihre Heranziehung hat bestimmte Rechtsgründe oder Gründe
anderer Art.
Die zweite Gruppe umfaßt die Fälle, wo sich im Kinderspiel,
im kindlichen Brauch, mehr oder weniger deutlich Spuren von
Rechtseinrichtungen, Rechtsformen, Rechtssymbolen, Rechts-
handlungen finden. Von vornherein denkt man dabei an Nach-
ahmung von Rechtsbräuchen Erwachsener, eine Vermutung, die
in vielen Fällen das Richtige treffen wird; freilich braucht die
Nachahmung durchaus keine unmittelbare zu sein. Man wird auch
nicht erwarten dürfen, daß es geradezu Rechtsspiele sind, in denen
die Kinderwelt ein Abbild dieses oder jenes Rechtsbrauches auf-
weist, wie es ja auch selbstverständlich ist, daß es nur in seltenen
Fällen den Kindern bewußt wird, daß sie sich einer Rechtsform
bedienen.
Für beide Teile der Arbeit gilt, daß ihr Gebiet das Grenzland
zwischen Rechtsgeschichte und Volkskunde ist, jedenfalls müssen
die Quellen dieser beiden Wissenschaften durchforscht, ihre Hilfs-
mittel zu Rate gezogen werden.
§ 2. Die Bedeutung des Wortes Kind ist eine vielseitige, aus den
Quellen ist aber nicht immer mit Sicherheit das Alter von darin
erwähnten Kindern festzustellen1. Die Nebeneinanderstellung
,,Kind und Gesinde“ ist z. B. sehr geläufig, oft einfach tauto-
logisch. Das Gesinde stack ja oft noch in den Kinderschuhen2
und auch sonst war es in der Mehrzahl der Fälle jünger als die
Dienstherrschaft. Ebenso war die Stellung des ,,Lehrkindes“ im
Handwerk der eines wirklichen Kindes sehr ähnlich; ja auch die
Gesellen wurden bisweilen noch als Kinder angesehen und bezeich-
net. Manche Gesellenbräuche finden wir auch als Kinderspiele3,
sogar noch in der alten Handwerkertracht. So tanzen z. B. die
Kinder in Schwäbisch Hall den alten Siedertanz in der alten
1 Geradezu ausgeschlossen werden Unmündige im Weistum von Ingers-
heim von 1484 (Grimm, W. 4, 526): al mal mit neinmen 5 oder 6 knaben von
15 jareji und so vil von der gemein ire gemein alter haben, die ding in dechtniss
zu hanthaben. Vgl. dagegen unten §§ 15, 41.
2 Daher z. B. das Erziehungsrecht. Könnecke, Rechtsgeschichte des
Gesindes 290 usw. Daher auch der sogenannte „Kindermarkt“ der Hüte-
kinder im Schwäbischen.
3 Vgl. z. B. den Hänselbrauch des botarsens unten S. 61 Anm. 5.
 
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