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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0005
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Rechtsbrauch und Kinderspiel ? Das strenge, nüchterne, trok- §
kene Recht und das heitere Spiel harmloser Kinder, diese beiden
Welten sollten in einem Atem genannt werden, etwa gar Bezie-
hungen zueinander haben? Sind sie nicht Gegensätze wie Wasser
und Feuer, wie Gefängnismauer und grüne Wiese ? So scheint es
zwar, und darum wohl hat die Rechtswissenschaft es noch nicht
für der Mühe wert gehalten, sich ernstlich mit der Frage zu be-
fassen, welche Brücken von der Rechtsordnung zum Kinderspiel
hinüberführen, wo etwa ein Rechtsbrauch Teil eines Kinderspieles
ist oder umgekehrt das Kinderspiel sich in den ernsten Rechts-
brauch mischt. Für das volkstümliche Recht gilt das Schlagwort
von der strengen und kalten Rechtsordnung längst nicht mehr,
nachdem Jakob Grimm seine Schönheit und Poesie klargelegt hat,
Otto v. Gierke seinen Humor geschildert. So mag auch einmal
der Versuch gemacht werden, die Fälle zu prüfen, in denen fröh-
liches Kinderlachen eine ernste Rechtshandlung erheitert, und auf
der anderen Seite der Versuch die Spiele und Bräuche der. Kinder
darauf hin zu untersuchen, was sich in ihnen Rechtliches findet.
Zu den Kindern, in ihr Märchenland und zu ihrer Jugend-
freude, hat sich ja manches Volkstümliche aus der Jugendzeit des
Volkes geflüchtet, Volkslied, Heldensage, Märchen und mancherlei
einstige Volksbräuche. Da darf man auch vermuten, daß einige
Erinnerungen an die Jugend des Rechts1, an seine poetische und
Heldenzeit sich in der Kindersitte und im Kinderherzen finden,
die mit dem Reifen der Kultur und des Rechtes nüchternen Formen
haben weichen müssen.
Kinderspiel im Rechtsbrauch und Rechtsbrauch im Kinder-
spiel, das sollen die Grundfragen der folgenden Blätter sein, wobei
freilich das Wort Kinderspiel nicht in beiden Fällen die gleiche
Bedeutung hat.
Das erstemal handelt es sich nicht um ein regelrechtes Spiel,
sondern um eine Beteiligung von spielenden Kindern bei einer
Rechtshandlung. Das „unmündige Kind“ nimmt an einer Rechts-
handlung teil, es faßt aber diese Beteiligung genau so auf wie ein
1 O. v. Gierke, Über Jugend und Altern des Rechtes. Deutsche Rund-
schau 5 (Feber 1879), S. 205ff.
 
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