34
E. Frh. v. Künssberg:
der Grenze lebendig begraben werden1. An der gefährlichsten Stelle
eines Deiches beschwört man das gewaltige Meer dadurch, daß
man ein Kind in einer Tonne lebendig begräbt, mit einem weißen
Kreuzschilling und einem weißen Brot in der Hand2, oder man
verstopft den Dammbruch mit dem Blut unschuldiger Kinder3.
Auf die Abschwächung dieses Brauches in ein Tieropfer (Hund,
Katze usw.) und auf die Strafe des Eingrabens für Deichverletzung
und Grenzverletzung braucht hier nicht eingegangen zu werden.
§ 51. 6. Stellvertretung durch Kinder. Je einfacher das
Leben, je ländlicher die Wirtschaft um so früher und ausgiebiger
helfen die Kinder den Eltern in der Arbeit. Da hegt es sehr nahe,
daß die Eltern versuchen, auch in öffentlich rechtlichen Pflichten,
in öffentlichen Diensthandlungen sich durch ihre Kinder vertreten
zu lassen, öffentliche Arbeit auf ihre Kinder abzuwälzen. Wir
treffen öfters Andeutungen darüber in Rechtsquellen; selbst-
verständlich waren Kinder bei den meisten Gemeindearbeiten und
Gemeindediensten nicht gerne gesehen, weil sie nicht genügend
leistungsfähig waren4. Wohl aber sind die Kinder zu kleinen
Botengängen verwendbar, auch wenn diese im öffentlichen Inter-
esse geschehen, wie z. B. das Nachbarzeichen von Haus zu Haus
tragen5. Im Gemeindehirtendienst sind Kinder von jeher verwendet
worden, aber da eben nur als Hilfe des verantwortlichen Hirten.
Von Verwendung der Kinder im Gesindedienst ist an dieser Stelle
nicht zu handeln.
B. Kinderspiele.6
§ 52. Außer gelegentlichen spärlichen Hinweisen hat das Kinder-
spiel bisher in der Rechtsgeschichte keine Beachtung gefunden.
Und doch wäre eine eingehende Untersuchung auf breiter Grund-
es südslavische Parallelen. Vgl. Hovorka-Kronfeld, Vergleichende Volks-
medizin, 1909, II, 602.
1 Vgl. Grimm, Grenzaltertümer (Kl. Sehr. 2, 731.); auch bei den Wad-
schagga. Arch. f. Religionswissenschaft 10 (1907), 289.
2 Feilberg in VolkskUnters. f. FIoffmann-Krayer 126.
3 Julius v. Gierke, G. d. Deichrechts I, 14f.
4 Z. B. WürttLändlRQ. I, 253. 299. 327. Vgl. Fehr, Rechtsstellung von
Frau und Kindern in den Weistümern 88, 233. Volkskundl. Untersuchungen,
Hoffmann-Krayer dargebracht 269f.
5 1911 habe ich diesen Brauch im siebenbürgischen Dorfe Rosenau beob-
achten können.
6 Vgl. K. Groos, Spiele der Menschen, Jena 1899, insbes. S. 360ff.
S. Singer, Deutsche Kinderspiele, ZVk. 13 (1903), 49ff. 167ff. Clemen, Der
E. Frh. v. Künssberg:
der Grenze lebendig begraben werden1. An der gefährlichsten Stelle
eines Deiches beschwört man das gewaltige Meer dadurch, daß
man ein Kind in einer Tonne lebendig begräbt, mit einem weißen
Kreuzschilling und einem weißen Brot in der Hand2, oder man
verstopft den Dammbruch mit dem Blut unschuldiger Kinder3.
Auf die Abschwächung dieses Brauches in ein Tieropfer (Hund,
Katze usw.) und auf die Strafe des Eingrabens für Deichverletzung
und Grenzverletzung braucht hier nicht eingegangen zu werden.
§ 51. 6. Stellvertretung durch Kinder. Je einfacher das
Leben, je ländlicher die Wirtschaft um so früher und ausgiebiger
helfen die Kinder den Eltern in der Arbeit. Da hegt es sehr nahe,
daß die Eltern versuchen, auch in öffentlich rechtlichen Pflichten,
in öffentlichen Diensthandlungen sich durch ihre Kinder vertreten
zu lassen, öffentliche Arbeit auf ihre Kinder abzuwälzen. Wir
treffen öfters Andeutungen darüber in Rechtsquellen; selbst-
verständlich waren Kinder bei den meisten Gemeindearbeiten und
Gemeindediensten nicht gerne gesehen, weil sie nicht genügend
leistungsfähig waren4. Wohl aber sind die Kinder zu kleinen
Botengängen verwendbar, auch wenn diese im öffentlichen Inter-
esse geschehen, wie z. B. das Nachbarzeichen von Haus zu Haus
tragen5. Im Gemeindehirtendienst sind Kinder von jeher verwendet
worden, aber da eben nur als Hilfe des verantwortlichen Hirten.
Von Verwendung der Kinder im Gesindedienst ist an dieser Stelle
nicht zu handeln.
B. Kinderspiele.6
§ 52. Außer gelegentlichen spärlichen Hinweisen hat das Kinder-
spiel bisher in der Rechtsgeschichte keine Beachtung gefunden.
Und doch wäre eine eingehende Untersuchung auf breiter Grund-
es südslavische Parallelen. Vgl. Hovorka-Kronfeld, Vergleichende Volks-
medizin, 1909, II, 602.
1 Vgl. Grimm, Grenzaltertümer (Kl. Sehr. 2, 731.); auch bei den Wad-
schagga. Arch. f. Religionswissenschaft 10 (1907), 289.
2 Feilberg in VolkskUnters. f. FIoffmann-Krayer 126.
3 Julius v. Gierke, G. d. Deichrechts I, 14f.
4 Z. B. WürttLändlRQ. I, 253. 299. 327. Vgl. Fehr, Rechtsstellung von
Frau und Kindern in den Weistümern 88, 233. Volkskundl. Untersuchungen,
Hoffmann-Krayer dargebracht 269f.
5 1911 habe ich diesen Brauch im siebenbürgischen Dorfe Rosenau beob-
achten können.
6 Vgl. K. Groos, Spiele der Menschen, Jena 1899, insbes. S. 360ff.
S. Singer, Deutsche Kinderspiele, ZVk. 13 (1903), 49ff. 167ff. Clemen, Der