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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0046
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E. Frh. v. Künssberg:

§ 64. Überall verbreitet ist ein Ringelreihen cler Kinder, bei dem
eines der Tanzenden in der Mitte steht, gleichsam gefangen, und
das die Aufgabe hat, aus dem Kreis auszubrechen. Laband1
wollte darin eine treue Wiedergabe der Freilassung per hantradam
(Lex Chamav. 11) sehen. Dabei haben der Herr des freizulassenden
Knechtes und 11 Angehörige seiner Sippe durch Handreichung
einen Kreis um den Knecht gebildet, dadurch die Unfreiheit ver-
anschaulicht, und ihn dann aus dem Kreis ausgelassen zum Zeichen
seiner Freiheit und Freizügigkeit. Der Beweis für diese Ansicht
ist aber nicht erbracht und auch kaum zu erbringen2.
§ 65. An die ältere Wehrverfassung des geworbenen Heeres erinnern
die Kriegsspiele, bei denen die Anführer sich ihre Genossen aus
den Mitspielenden wählen3; an das Lehnsheer der Name des
Spieles „Ritter und Knecht“4.
§ 66. Zu den Nachahmungen öffentlichrechtlichen Inhaltes wäre
schließlich auch folgendes Spiel zu rechnen: die Dorfjugend von
Klein-Paschleben ahmte die Volkszählung nach, indem sie die Dorf-
hunde zählte und dabei für jeden einzelnen einen Kerb in eine
Weidenrute schnitt5.
§67. 2. Von den vielen Spielen, die sich privatrechtlich ein-
reihen lassen, sind es nur wenige, die näher interessieren, doch
finden sich auch da Trümmer älterer Rechtsauffassung, älterer
Rechtsbräuche; freilich wird es im Einzelfall fraglich sein, ob
man eine kindliche Auffassung als Überbleibsel wird ansprechen
dürfen, oder ob sie einfacher und natürlicher anders zu erklären ist.
Wenn z. B. in Märchen und Sagen auch ganz kleine Kinder bereits
handlungsfähig sind, ihr Eigentum verschenken oder sonst sich
verpflichten, so ist das nicht ohne weiteres ein Beleg dafür, daß
das ältere Recht Verpflichtungen von Kindern als gültig ansah6;
denn die Kinder gebärden sich eben im Märchen und im Spiel als
Erwachsene ; sie nehmen sich gegenseitig für voll und wissen oft
recht gut, daß mit dem Aufhören des Spieles die Wirklichkeit
anders aussieht.
1 Rechtsaltertümer in der Gegenwart. Deutsche Revue, Januar 1904,
Seite 4f.
2 Vgl. Brunner, RG. I2, 367. v. Amira, Grundriß3, 127, 272.
3 Z. B. Kriegsdingen. Rochholz, Alem. Kinderlied, S. 415.
4 In Pommern. Kück-Sohnrey, Feste und Spiele, S. 302.
5 Hartung, Zur Volkskunde in Anhalt. ZVk. 6 (1896), 438.
ö Schuster, Spiel, S. 26.
 
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