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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0047
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

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Beachtenswert ist jedoch, wie die Widerruflichkeit der Sehen- § 68.
kung, die nicht durch Gegenschenkung gefestigt ist, bei den Kin-
dern immer wieder auflebt, der alte Gedanke von der notwendigen
Entgeltlichkeit aller Verträge1. In Lüttich berühren die Kinder
einen eisernen Gegenstand, um ein Geschenk nicht zurückgeben zu
müssen. Sie bedienen sich also der zauberischen Macht des Eisens2 3.
Wenn die Kinder das Eigentum an ihren Büchern durch Ein- § 69.
tragen von Schutzformeln zu wahren suchen, wie etwa:
,,Dieses Buch das ist mir lieb
Wer mirs nimmt der ist ein Dieb
Er sei Herr oder Knecht
So ist ihm der Galgen recht“8
so tun sie damit nichts anderes, als in früheren Jahrhunderten die
Mönche und andere erwachsene Leute, die durch Fluch- und Bann-
formeln Bücherdiebe abzuhalten oder ihnen nach dem Diebstahl
zu schaden meinten4. Der Gebrauch von Kerbhölzern zur Abrech-
nung, wie er uns im „Klausehölzle“ begegnet5, auf dem die Kinder § 70.
vor dem Nikolaustag die gebeteten Vaterunser sich gutschneiden,
ist gleichfalls eine Erinnerung an früheren Brauch der Erwach-
senen6.
Auf das einst so geläufige Bechtssymbol der Rasenscholle
könnte möglicherweise zurückführen ein Spiel, das in Holstein7
,,Himmelhaken“, in Schwaben8 „Ackerles“, im Schwarzwald9

1 Über Reime und Bräuche beim Tauschhandel der Kinder berichtet
A. De Cock, Rechtshandelingen bij de hinderen. 3. Ruilingsrecht. Volkskunde
16 (1904).
2 Revue des traditions populaires 19, 387. Vgl. unten S. 57 Anm. 6.
3 DWB. 2, 1090. Vgl. Triebnigg, Kinderspiele aus der schwäbischen
Türkei, ZVk. 26 (1916), 203.
4 Wattenbach, Schriftwesen im Mittelalter, 527 ff. Crüvell, Verflu-
chung der Bücherdiebe, ArchKulturg. 4 (1906), 197ff. Klapper, Altschle-
sische Schreiberverse, MittSchlesVk. 19 (1907), 27f. Wie formelhaft abge-
braucht dieser Diebsbann war, beleuchtet wohl am besten die Tatsache, daß
die Formel ,,qui alienaverit anathema sit“ sogar über einem Tor der Dagsburg
(1214) angebracht wurde. Bergner, Bürgerliche Kunstaltertümer II, 568.
5 Fehrle, Deutsche Feste und Volksbräuche, S. 7. „Nikolausenhölzli“.
Rochholz, Kinderlied, 529.
6 Vgl. oben § 66 das Kerbholz bei der Hundezählung.
7 Handelmann, Volks- und Kinderspiele in Schleswig Holstein2, S. 97.
8 SchwäbWB. I, 96.
9 Meyer, Bad. Volksleben, S. 60.
 
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