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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0049
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

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wie seinerzeit der Richter. Er stellt an einen beliebigen Gespielen
die Urteilsfrage „Was soll das Pfand in meiner Hand“1. Der
Urteilsvorschlag eines Genossen wird dann von der Gesamtheit
gebilligt oder verworfen. Wer besonders geschickte Antworten
gibt, wird wohl auch ständiger Urteilsfinder. Der Richter selbst
kann auch Urteilsvorschläge machen. Als Wadium oder Pfand
werden allerlei Gegenstände (Messer, Band, Tuch usw.) gegeben,
deren Wert Nebensache ist, die aber als Symbol der Persönlichkeit
des Eigentümers angesehen werden. Durch Hingabe des Pfandes
verspricht der Mitspieler, sich dem Urteil zu unterwerfen, das
Urteil zu erfüllen. Nach Erfüllung des Urteils bekommt er das
Pfand zurück. Das Spiel besteht nun darin, daß die Leistungen
gesellig-scherzhafter Art sind. Eine Verweigerung des Pfandes
oder der Leistung würde zum Ausschluß aus dem Spiele führen,
oder, um im Bilde des alten Rechtes zu bleiben, zur Friedlosigkeit.
Hoffmann-Krayer bringt2 eine Erinnerung an die Zeit der § 73.
Reallasten aus einem Spiel bei. In Basel kam es vor, daß beim
Steinkugelspiel ein Nichtspieler unversehens hinzutrat und mit
dem Ausruf „Bodenzins!“ ein oder mehrere Kugeln wegnahm.
Aus dem Gebiete des Familienrechts sind die Spiele zu er- § 74.
wähnen, die Hochzeitsbräuche darstellen. Die Nachahmung dieser
lag den Kindern um so näher in Zeiten, da der Unfug der Kinder-
heiraten3 und Kinderverlöbnisse herrschte. Hinter dem Namen
des Haschespiels Brillo (= Paarlaufen) könnte das Wort ‘braut-
lauf’ stecken4. Der Kinderreigen „Es kam ein Herr von Ninive“5
wird meist in der Form einer Brautwerbung und Hochzeit gesun-
gen; daneben aber geht eine andere Fassung, die eine Nonnen-
Einkleidung darstellt, einher. Die Bräuche bei der Einkleidung
einer Nonne (Himmelsbraut) deckten sich ja vielfach mit Hochzeits-
riten.

1 Zum Vergleich mag auch die Frage beim Losziehen in der Lex Frisi-
onum herangezogen werden; vgl. oben § 41.
2 SchweizArchVk. 12 (1908), 224.
3 Vgl. Am Urquell 6 (1896), 3ff., wo weitere Literatur.
4 Das vermutet schon Handelmann, Volks- und Kinderspiele in Schles-
wig-Holstein2, S. 64.
Über Hochzeitsspiele vgl. Gomme, The traditional games of England II,
483 ff.
5 Böhme, Kinderlied, 508ff., insbesondere Groos, Spiele der Menschen,
452. Nach Bolte, ZVk. 4 (1894) und 6 (1896) ist anzunehmen, daß das Mönch-
und Nonnenspiel die ältere Form ist. Singer, ZVk. 13 (1903), 174f.

Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl, 1920. 7. Abh.

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