Metadaten

Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0050
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50

E. Frh. v. Künssberg:

§75. 3. Außerordentlich viel Anklang an das Strafrecht finden
wir im Kinderspiel. Verbrechen und Strafe, Außergewöhnliches,
Verbotenes sind offenbar in besonderem Maße geeignet die Phan-
tasie zu beschäftigen, das Interesse zu fesseln; ähnlich wie die
Räubergeschichten, Kriminalromane immer wieder ihre Anzie-
hungskraft ausüben. Es gibt Spiele, die strafbare Handlungen
nachahmen (meist Neckspiele) und dann wieder Spiele, die ihr
Vorbild im Strafvollzug haben, also Strafen wiedergeben oder
doch ihren Namen aus diesem Gedankenkreis entlehnt haben.
§ 76. Ewig jung sind unter den Fangspielen das Räuberlesspiel, der
Kampf zwischen dem Verbrecher und seinen Verfolgern. Bezeich-
nend dabei ist, daß der Räuber in aller Regel das größere Ansehen
hat, der tapfere Held ist, ähnlich wie ja auch in der Volksdichtung,
in Volkslied und Sage der Friedlose, Friedbrecher in der Mehrzahl
der Fälle die Sympathien für sich hat.
§ 77. Beim Räuberspiel wird meist schon zu seinem Beginn die Tat,
wegen welcher der eine Spielgefährte oder deren mehrere verfolgt
werden, als geschehen angenommen. Dann gibts aber wieder Spiele,
bei denen ein Frevel, eine Rechtsverletzung erst zu geschehen hat.
So wird z. B. verbotener Grund betreten oder auf fremdem Boden
Obst gepflückt, Gold und Silber gesammelt oder sonst irgend etwas
Verbotenes getan und damit das weitere Haschen eingeleitet1.
1 Z. B. ein Stück des Spielplatzes wird abgeteilt; darauf steht der
Pfänder. Die anderen springen so oft sie können aufs verbotene Land und
rufen
„Herr Pander, Herr Pander
Ick bün up din Lander“.
Der Pfänder sucht sie nun zu fangen (Handelmann, Volks- und Kinderspiele
in Schleswig Holstein, S. 67). In gleicher Weise heißts auch „Vader, ik bün
op din land“ oder „König ich bin in deinem Land“ ebd.; Böhme, Kinder-
lied, S. 580; Singer, ZVk. 13 (1903), 61; Drost, NI. Kinderspel, 14ff. Wenn
ein Sandhaufen oder kleiner Hügel verteidigt wird, so heißt das Spiel auch
Burgspiel. Vgl. das Bild von 1632 bei Bolte, ZVk. 19 (1909) 397 und die
Verse dazu: ebd. S. 398:
„Der Knab schreyt auss: Ich bin Burckhard
Vnd steh allhie, mein Feind erwart.
Die andern lauffen so lang vmb,
Biss einer auch so hoch nauff kumb.
Nicht anderst geht es in der Welt,
Da einer steht, der ander fällt:
Jeder verwahrt seinen Misthauffen,
Kompt ein stärkerer, so muss er lauffen1’1'.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften