Rechtsbrauch und Kinderspiel.
51
Beim Grenzjägerspiel gilt nur das Ertappen auf handhabter
Tat* 1, während der Grenzüberschreitung.
Auch in anderer Form sind Diebspiele2 oder Schelmspiele3 § 78.
verbreitet. So z. B. Tuchdiebes, das auch Frau Rat Goethe in
ihren Briefen erwähnt. Ein Dieb stiehlt einer Frau vorher in
Ellen abgemessenen Stoff; und zwar stellt jedes Kind so und
soviel Ellen vor. Außerdem spielt noch ein Kind eine Rolle als
Aufpasser oder als Hahn oder Hund4. Das Tuchstehlen ist dabei
(nach Singer) für älteres wirkliches Kinderstehlen eingetreten.
Der Dieb ist eine Hexe, die auch das Kochen stört. Der schöne
Reigen „Machet auf das Tor“ handelt gleichfalls von einem Dieb-
stahl5.
Ein Diebeszauber wird als Kinderbrauch geübt. Auf einen § 79.
Fingernagel macht man ein Gesicht, und ein Kind sieht hinein
und kann daraus den Dieb erkennen6.
Überhaupt gibt es im Kinderland mehr Zauberei und Hexen § 80.
als bei den „Großen“, nimmt die Vorstellung von Hexen einen
beträchtlichen Raum im Kinderspiel ein7; auch hier ein Spiegel-
bild früherer Zeiten, wo diesen Vorstellungen und Begriffen eine
große Rolle im Volksleben zu fiel. Die Kinder zeigen sich den
„Hexentanz“8, prahlen mit Zaubernkönnen und necken sich mit
„Hexenlehren“9. In früheren Zeiten konnten solche Scherze frei-
lich gefährlich werden, besonders da das Laster der Hexerei für
‘Straßenmännchen, ich bin auf deiner Straße!’ Caro, Kinderspiele vom
Niederrhein. Jahrb. f. niederd. Spracht. 32 (1906), 68f.
1 Vgl. Laube, Volkstümliche Überlieferungen aus Teplitz, 1896 (Beitr-
DBöhmVK. I, 2), S. 76.
2 Gänsedieb Böhme. Kinderlied, 465. Leinwanddieb ebd. 582ff. Strun-
kenstehlen Kück-Sohnrey 303. Im Orient gibts ein Würfelspiel, das „der
Dieb“ heißt. Groos, Spiele der Menschen, 265.
3 Boesch, Kinderleben, 73. Singer, ZVK. 13 (1903), S. 56.
4 ZVk. 13 (1903), 54. „Henkerspiel“, Zingerle, Kinderspiele im Mittel-
alter, 41.
5 Böhme, Kinderlied, 537f.
6 Geiler von Kaisersberg, nach Rochholz, Kinderlied 107. Über einen
Diebsbann vgl. oben § 69.
7 Ygl. Singer, ZVk. 13 (1903), 50ff. Handelmann, Volks- und Kinder-
spiele in Schleswig Holstein2, S. 65f.
8 Böhme, Kinderlied, S. 544.
9 Z. B. der Hexenlehrling hat dem Meister alles nachzmachen und macht
sich dabei rußig. Handelmann2 vS. 41.
4*
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Beim Grenzjägerspiel gilt nur das Ertappen auf handhabter
Tat* 1, während der Grenzüberschreitung.
Auch in anderer Form sind Diebspiele2 oder Schelmspiele3 § 78.
verbreitet. So z. B. Tuchdiebes, das auch Frau Rat Goethe in
ihren Briefen erwähnt. Ein Dieb stiehlt einer Frau vorher in
Ellen abgemessenen Stoff; und zwar stellt jedes Kind so und
soviel Ellen vor. Außerdem spielt noch ein Kind eine Rolle als
Aufpasser oder als Hahn oder Hund4. Das Tuchstehlen ist dabei
(nach Singer) für älteres wirkliches Kinderstehlen eingetreten.
Der Dieb ist eine Hexe, die auch das Kochen stört. Der schöne
Reigen „Machet auf das Tor“ handelt gleichfalls von einem Dieb-
stahl5.
Ein Diebeszauber wird als Kinderbrauch geübt. Auf einen § 79.
Fingernagel macht man ein Gesicht, und ein Kind sieht hinein
und kann daraus den Dieb erkennen6.
Überhaupt gibt es im Kinderland mehr Zauberei und Hexen § 80.
als bei den „Großen“, nimmt die Vorstellung von Hexen einen
beträchtlichen Raum im Kinderspiel ein7; auch hier ein Spiegel-
bild früherer Zeiten, wo diesen Vorstellungen und Begriffen eine
große Rolle im Volksleben zu fiel. Die Kinder zeigen sich den
„Hexentanz“8, prahlen mit Zaubernkönnen und necken sich mit
„Hexenlehren“9. In früheren Zeiten konnten solche Scherze frei-
lich gefährlich werden, besonders da das Laster der Hexerei für
‘Straßenmännchen, ich bin auf deiner Straße!’ Caro, Kinderspiele vom
Niederrhein. Jahrb. f. niederd. Spracht. 32 (1906), 68f.
1 Vgl. Laube, Volkstümliche Überlieferungen aus Teplitz, 1896 (Beitr-
DBöhmVK. I, 2), S. 76.
2 Gänsedieb Böhme. Kinderlied, 465. Leinwanddieb ebd. 582ff. Strun-
kenstehlen Kück-Sohnrey 303. Im Orient gibts ein Würfelspiel, das „der
Dieb“ heißt. Groos, Spiele der Menschen, 265.
3 Boesch, Kinderleben, 73. Singer, ZVK. 13 (1903), S. 56.
4 ZVk. 13 (1903), 54. „Henkerspiel“, Zingerle, Kinderspiele im Mittel-
alter, 41.
5 Böhme, Kinderlied, 537f.
6 Geiler von Kaisersberg, nach Rochholz, Kinderlied 107. Über einen
Diebsbann vgl. oben § 69.
7 Ygl. Singer, ZVk. 13 (1903), 50ff. Handelmann, Volks- und Kinder-
spiele in Schleswig Holstein2, S. 65f.
8 Böhme, Kinderlied, S. 544.
9 Z. B. der Hexenlehrling hat dem Meister alles nachzmachen und macht
sich dabei rußig. Handelmann2 vS. 41.
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