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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0058
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58

E. Frh. v. Künssberg:

urteilt in alter Weise die ganze Gemeinde. „Schläger und Dieb“
heißt ein Kinderspiel in der Grafschaft Glatz1. Da gibts einen
König, einen Baron, einen Kläger, einen Schläger und einen Dieb,
je nachdem was für ein Los jeder gezogen hat. Der Kläger beginnt
mit den Worten „Herr König, ich klage“. Dieser darauf, „was
gibts zu klagen?“ Der Kläger: „dies und jenes“. Der König:
„Nimm ihn bei der Nase und schmeiß ihn hinaus“. Dann fängt
der Schläger an: „Herr Baron, wie viel hat dieser Strafe verdient ?“
Der Baron sagt entweder: 2 eiserner, oder blutige, oder schmierige
oder gewöhnliche Hiebe. Und dann haut der Schläger dem Dieb
die Hiebe auf die Hand, die er verdient hat.
Im schwäbischen Richterlesspiel ist gleichfalls der König
Richter2. Es gibt ein Schweizer Spiel namens „gemeinammelen“,
wo der Landjäger den Dieb vor den Gemeindeammann bringt und
ihn da abbitten läßt3. Advokatenspiel4 nennt man ein Fragespiel,
§ 94. bei dem die Antwort immer durch einen Vertreter gegeben werden
muß. Um den Nachrichter scheint es sich in dem alten „des
richters spielen“ zu handeln, wo offenbar jemand im Finstern ver-
prügelt wird5.
Im Armesünderspiel6 hat ein Wächter den Gefangenen an
einer langen Schnur und muß ihn gegen Angriffe (Lynchjustiz ?)
verteidigen.
§ 95. An die alte Hegungsformel „ich gebiete Lust und verbiete
Unlust“ erinnert es, wenn es in einem Kinderlied heißt:
Ich bin der Herr von Rechen,
Verbiete Lachen und Sprechen,
Wer lacht und spricht,
Dem ein Pfand gebricht1.
1 Graebisch, Kinderspiele aus der Grafschaft Glatz. MittSchlesVk. 15
(1913), 275.
Ähnlich das Amtmannspiel. Schumann, Lübecker Spielbuch, S. 63,
Nr. 114. Richterspiel am Niederrhein. Caro, Jahrb. f. niederd. Sprachf. 32
(1906), 67. 70f. Der Kaiser kann begnadigen. Ebd. 67.
2 Schwab WB. 4, 602.
3 SchweizJd. 4, 250.
4 Böhme, Kinderlied, S. 653.
5 DWB. VIII, 892 (16. Jh.) und V, 1698 (17. Jh.).
6 Schmitz, Sitten und Sagen des Eiflervolkes, 1 (1856), 85.
7 Wehrhan, Kinderlied 4, S. 45.
„Ich bin die Frau von Hechtebrecht“ Schumann, Lübecker Spielbuch,
S. 67, Nr. 126. „Ich bin der Herr von Steffen“ Caro, Kinderspiele von Nieder-
rhein. Jahrb. f. niederd. Sprachforschung 32 (1906), 77.
 
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