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Rudolf Sillib:
auf die Rettung der kostbarsten Handschriften hingewiesen, daß
unsere Handschrift an der ersten Stelle des Verzeichnisses von 1622
steht, und wenn wir beachten, mit welcher Sorgfalt Kurfürst
Friedrich IV. seine große Liederhandschrift nach ihrer Rückkehr
aus der Schweiz, wie Bodmer sagt, „unter seinem Schlyssel ver-
wahrte“, sodaß sie ,,in der geheimen Bibliothek des Churfyrsten
wie im Gefaengnisse lag“13, wenn wir uns weiter vergegenwärtigen,
mit welch persönlichem Interesse Kurfürst Friedrich V. noch im
Exil von der Palatina zu retten suchte, was noch irgend zu retten
war14, so darf wohl angenommen werden, vor allen anderen sei
gerade unsere Handschrift vor der Katastrophe im September des
Jahres 1622 in Sicherheit gebracht und nach Sedan geflüchtet
worden. Von dort aus wird sie dann von Rusoorf mit den cimelia
und dem kurfürstlichen Archiv im Jahre 1630 nach dem Haag
verbracht worden sein. Rusdorf, selbst ein eifriger Büchersammler,
hat damals seine Fürsorge ebenso bewährt wie beim Ausbruch des
pfälzischen Krieges 1622, wo er es gewesen sein mochte, der den
ihm persönlich nahestehenden Kanzler von der Grün zu den uns
bekannten Vorsichtsmaßregeln veranlaßt hat.
Solange Kurfürst Friedrich V. lebte, mag unsere Handschrift,
sei es im Haag oder in dem der kurfürstlichen Familie 1629 von den
Staaten von Utrecht überlassenen Schloß Rhenen sicher auf-
bewahrt worden sein. Anders nach dem Tod Friedrichs V.! Die
finanzielle Lage der Winterkönigin wurde von Jahr zu Jahr trost-
loser; sie sab sich schließlich genötigt fast alle ihre Schmuck-
gegenstände zu verkaufen und sogar ihren Trauring zu versetzen;
ein Blick in ihre Briefe15 enthüllt die schwerverschuldete Lage der
Königin aufs erschreckendste. Bei den Beziehungen der Königin
zu französischen Gelehrten, mit denen sie im Haag verkehrte, mit
Descartes, dem geistvollen französischen Arzt Sorriere und ande-
ren drängt sich die Vermutung auf, die Königin habe auch unsere
Handschrift als Privatgut des kurfürstlichen Hauses dem Elend
ihrer Familie zum Opfer gebracht und nach Frankreich verkauft.
Der Höhepunkt der Not fiel in dasselbe Jahrzehnt, in dem 1657
die Handschrift durch den königlichen Bibliothekar Jacques
Dupuy vermittelt in der bibliotheque du roi in Paris auftaucht16.
War somit die Handschrift wohl noch über den dreißigjährigen
Krieg dem kurfürstlichen Besitz erhalten geblieben, letzten Endes
dürfte sie dennoch infolge des die deutsche Kultur vernichtenden
Krieges nach Paris verloren gegangen sein. —
Rudolf Sillib:
auf die Rettung der kostbarsten Handschriften hingewiesen, daß
unsere Handschrift an der ersten Stelle des Verzeichnisses von 1622
steht, und wenn wir beachten, mit welcher Sorgfalt Kurfürst
Friedrich IV. seine große Liederhandschrift nach ihrer Rückkehr
aus der Schweiz, wie Bodmer sagt, „unter seinem Schlyssel ver-
wahrte“, sodaß sie ,,in der geheimen Bibliothek des Churfyrsten
wie im Gefaengnisse lag“13, wenn wir uns weiter vergegenwärtigen,
mit welch persönlichem Interesse Kurfürst Friedrich V. noch im
Exil von der Palatina zu retten suchte, was noch irgend zu retten
war14, so darf wohl angenommen werden, vor allen anderen sei
gerade unsere Handschrift vor der Katastrophe im September des
Jahres 1622 in Sicherheit gebracht und nach Sedan geflüchtet
worden. Von dort aus wird sie dann von Rusoorf mit den cimelia
und dem kurfürstlichen Archiv im Jahre 1630 nach dem Haag
verbracht worden sein. Rusdorf, selbst ein eifriger Büchersammler,
hat damals seine Fürsorge ebenso bewährt wie beim Ausbruch des
pfälzischen Krieges 1622, wo er es gewesen sein mochte, der den
ihm persönlich nahestehenden Kanzler von der Grün zu den uns
bekannten Vorsichtsmaßregeln veranlaßt hat.
Solange Kurfürst Friedrich V. lebte, mag unsere Handschrift,
sei es im Haag oder in dem der kurfürstlichen Familie 1629 von den
Staaten von Utrecht überlassenen Schloß Rhenen sicher auf-
bewahrt worden sein. Anders nach dem Tod Friedrichs V.! Die
finanzielle Lage der Winterkönigin wurde von Jahr zu Jahr trost-
loser; sie sab sich schließlich genötigt fast alle ihre Schmuck-
gegenstände zu verkaufen und sogar ihren Trauring zu versetzen;
ein Blick in ihre Briefe15 enthüllt die schwerverschuldete Lage der
Königin aufs erschreckendste. Bei den Beziehungen der Königin
zu französischen Gelehrten, mit denen sie im Haag verkehrte, mit
Descartes, dem geistvollen französischen Arzt Sorriere und ande-
ren drängt sich die Vermutung auf, die Königin habe auch unsere
Handschrift als Privatgut des kurfürstlichen Hauses dem Elend
ihrer Familie zum Opfer gebracht und nach Frankreich verkauft.
Der Höhepunkt der Not fiel in dasselbe Jahrzehnt, in dem 1657
die Handschrift durch den königlichen Bibliothekar Jacques
Dupuy vermittelt in der bibliotheque du roi in Paris auftaucht16.
War somit die Handschrift wohl noch über den dreißigjährigen
Krieg dem kurfürstlichen Besitz erhalten geblieben, letzten Endes
dürfte sie dennoch infolge des die deutsche Kultur vernichtenden
Krieges nach Paris verloren gegangen sein. —