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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 4. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 1: Marsilius von Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37794#0032
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Gerhard Ritter:

aber als heftigen Gegner Clemens’ VII. Sie steht in bewußtem
Gegensatz zu den Konzilsideen Heinrichs von Langenstein, dessen
Zweifel, ob die Rechtmäßigkeit eines der Päpste sich erkennen lasse,
sie widerlegen will; und wenn sie tatsächlich als Gegenschrift
gegen Heinrichs Aufruf an den Pfalzgrafen bestimmt war1, so
stellt sich Marsilius geradezu den Versuchen des Publizisten in den
Weg, die deutschen Fürsten für eine Behebung des Schismas durch
ein Konzil zu gewinnen. Man kann sich darum vorstellen, warum
er als einer der ersten Deutschen Paris nach Ausbruch des Schismas
verlassen hat: der Weg der Neutralität und des Konzils war für
ihn nicht gangbar; er war von der Sache Urbans überzeugt. Auch
persönlich hat er die Feindschaft des Avignonesers erfahren: auf
Anzeige des clementistischen Grafen von Cleve, der ihn als einen
der eifrigsten Urbanisten denunzierte, wurde ihm 1382 durch päpst-
liches Dekret eine Pfründe in Emmerich entzogen — ob mit
Erfolg, wissen wir nicht — und ähnlich erging es ihm mit Kölner
und Bonner Pfründen, die er aber zum Teil bei seinem Tode noch
tatsächlich innehatte2. Seinen lebhaften Anteil an den Pariser
Ereignissen zeigt die genannte Denkschrift sehr deutlich: er meinte
sich das Verfahren des Rektors Luqueti nur durch Bestechung mit
einer Pfründe erklären zu können3, und er berichtet über die aus-
gewanderten Magister mit sichtlicher Kenntnis, vor allem über
die Auswanderung der ersten Jahre. Alles in allem gehört die
Denkschrift zu den heftigsten Äußerungen urbanistischer Gesin-
nung, die wir besitzen. Auch den Haß der deutschen Magister
gegen den Kanzler Johannes Blanchart hat er offenbar redlich
geteilt; es wird nicht ohne seine Mitwirkung geschehen sein, wenn
die junge Universität Heidelberg gleich im ersten Jahre ihres
Bestehens den aussichtslosen Versuch machte, den Kardinallegaten
Urbans VI., Philippe d’Alencon, zu einer Nichtigkeitserklärung aller
Promotionen dieses Kanzlers für die Länder urbanistischer Obe-
dienz zu veranlassen, und wenn sie praktisch diese Ablehnung
gegenüber 6 Pariser Magistern durchführte4.
1 Über diese Frage wie über die Datierung s. Anhang I.
2 Vgl. oben S. 8 N. 1. Vgl. auch die Dekrete CI’. VII. an die Grafen
von Cleve u. Mark 1382 bzw. 1385, die Urbanisten ihres Territoriums durch
Pfründenentziehung zu verfolgen. Sauerland YI, nr. 1404 — 8, nr. 1420 — 24.
3 S. Anhang I, auch über die Frage, welchen rotulus M. v. I. an dieser
Stelle gemeint habe und über die strittige Richtigkeit seines Verdachtes.
4 A. u. I, fol. 40 — 41. Toepke I, 20, Hautz II. 334, U. B. II, nr. 35, 39;
s. auch Chart. III, nr. 1655 — 8.
 
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