Studien zur Spätscholastik. 1.
3t
bei wissenschaftlichem Rückgang begann für die französische Uni-
versität: die Periode Peter d’Aillys, des politischen Strebertums.
So geschah es, daß die universale Hochschule der abendländi-
schen Christenheit ebenso auseinander brach, wie der Bau der
kirchlichen Hierarchie selber. Was Italien mit seinen alten Univer-
sitäten von jeher besaß, was England sich längst in der Stille
geschaffen hatte, das begannen jetzt auch die Deutschen, von
außen her auf sich selbst zurückgeworfen, sich zu begründen: eine
nationale Wissenschaft. Niemand hat die Größe dieses Vorgangs
lebendiger empfunden als Heinrich von Langenstein, der Gründer
von Wien: 0 jelix scisma, nimiumque beatum, quo sic elevamur...,
quo ialiter sedentibus in tenebris effulsit lumen sapiencieZ1 Wenn er
in einem offenen Briefe den deutschen König von Paris aus
aufruft, dem Kaisertum neuen Glanz zu geben durch Beseitigung
des Schismas, so bricht in seiner Polemik gegen den unerträglichen
Dünkel der Franzosen, die auf die rohen, unwissenden Deutschen
so tief herabblicken, durch alle Petrarca nachgesprochenen Wen-
dungen doch ein eigenes nationales Pathos durch, das überraschend
wirkt und die Heftigkeit der Gegensätze noch heute spüren läßt2.
Wie verhielt sich zu alledem Marsilius von Inghen ? Er hat
keine umfangreiche publizistische Tätigkeit entfaltet wie Langen-
stein; offenbar war er in höherem Maße reiner Gelehrter als dieser
streitbare Kirchenmann. Eine Denkschrift von 1390, die er wahr-
scheinlich für den pfälzischen Kurfürsten schrieb, zeigt ihn uns
1 Aus dem Schreiben an Friedr. v. Brixen, ed. Sommerfeldt Mitt. d.
öst. Inst., Erg. Bd. 7, p. 469. Die Stelle ist wiederholt in dem Schreiben an
Pfalzgraf Ruprecht, ed. Sommerfeldt Z. G. O. 22, p. 311. Die Datierung des
erstgenannten Schreibens auf 1384 halte ich für unsicher. Die p. 469 genannten
3 Universitäten sind doch wohl Wien (dessen Glanz p. 366/67 erwähnt wird!),
Prag, Heidelberg (1386), sicher nicht Köln (gegründet 1388/9)! Da Leopold
III. 1386 starb, müßte also Heinrich den Heidelberger oder Erfurter Grün-
dungsplan gekannt haben ?
2 Vermutlich 1381; nur als Ergänzung zu einer Konzilsschrift begreiflich,
da ohne ausgesprochenes polit. Ziel, ed. Sommerfeldt, Mitt. d. östr. Inst.,
Erg. Bd. 7, 436 ff. Das interessante Schreiben bedarf dringend einer quellen-
kritischen Untersuchung. Große Stücke sind aus Petrarca, de vita solitaria,
lib. II, cap. II —VI wörtlich entnommen (Opera, Basel 1554, p. 305 ff.). -
Ein interessantes Schlaglicht auf das Anwachsen der nationalen Gegensätze
an der Pariser Universität im XV. Jahrhundert wirft u. a. eine Notiz aus dem
Jahre 1444: bei der Rektorwahl geraten französische und normannische Ver-
treter so heftig aneinander, daß der Franzose dem anderen die Kehle zudrückt
u. die Hand verwundet! Budzinsky, 38 (nach Jourdain, index chartarum).
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bei wissenschaftlichem Rückgang begann für die französische Uni-
versität: die Periode Peter d’Aillys, des politischen Strebertums.
So geschah es, daß die universale Hochschule der abendländi-
schen Christenheit ebenso auseinander brach, wie der Bau der
kirchlichen Hierarchie selber. Was Italien mit seinen alten Univer-
sitäten von jeher besaß, was England sich längst in der Stille
geschaffen hatte, das begannen jetzt auch die Deutschen, von
außen her auf sich selbst zurückgeworfen, sich zu begründen: eine
nationale Wissenschaft. Niemand hat die Größe dieses Vorgangs
lebendiger empfunden als Heinrich von Langenstein, der Gründer
von Wien: 0 jelix scisma, nimiumque beatum, quo sic elevamur...,
quo ialiter sedentibus in tenebris effulsit lumen sapiencieZ1 Wenn er
in einem offenen Briefe den deutschen König von Paris aus
aufruft, dem Kaisertum neuen Glanz zu geben durch Beseitigung
des Schismas, so bricht in seiner Polemik gegen den unerträglichen
Dünkel der Franzosen, die auf die rohen, unwissenden Deutschen
so tief herabblicken, durch alle Petrarca nachgesprochenen Wen-
dungen doch ein eigenes nationales Pathos durch, das überraschend
wirkt und die Heftigkeit der Gegensätze noch heute spüren läßt2.
Wie verhielt sich zu alledem Marsilius von Inghen ? Er hat
keine umfangreiche publizistische Tätigkeit entfaltet wie Langen-
stein; offenbar war er in höherem Maße reiner Gelehrter als dieser
streitbare Kirchenmann. Eine Denkschrift von 1390, die er wahr-
scheinlich für den pfälzischen Kurfürsten schrieb, zeigt ihn uns
1 Aus dem Schreiben an Friedr. v. Brixen, ed. Sommerfeldt Mitt. d.
öst. Inst., Erg. Bd. 7, p. 469. Die Stelle ist wiederholt in dem Schreiben an
Pfalzgraf Ruprecht, ed. Sommerfeldt Z. G. O. 22, p. 311. Die Datierung des
erstgenannten Schreibens auf 1384 halte ich für unsicher. Die p. 469 genannten
3 Universitäten sind doch wohl Wien (dessen Glanz p. 366/67 erwähnt wird!),
Prag, Heidelberg (1386), sicher nicht Köln (gegründet 1388/9)! Da Leopold
III. 1386 starb, müßte also Heinrich den Heidelberger oder Erfurter Grün-
dungsplan gekannt haben ?
2 Vermutlich 1381; nur als Ergänzung zu einer Konzilsschrift begreiflich,
da ohne ausgesprochenes polit. Ziel, ed. Sommerfeldt, Mitt. d. östr. Inst.,
Erg. Bd. 7, 436 ff. Das interessante Schreiben bedarf dringend einer quellen-
kritischen Untersuchung. Große Stücke sind aus Petrarca, de vita solitaria,
lib. II, cap. II —VI wörtlich entnommen (Opera, Basel 1554, p. 305 ff.). -
Ein interessantes Schlaglicht auf das Anwachsen der nationalen Gegensätze
an der Pariser Universität im XV. Jahrhundert wirft u. a. eine Notiz aus dem
Jahre 1444: bei der Rektorwahl geraten französische und normannische Ver-
treter so heftig aneinander, daß der Franzose dem anderen die Kehle zudrückt
u. die Hand verwundet! Budzinsky, 38 (nach Jourdain, index chartarum).