8
Rudolf Sillib :
sollen, als er noch als Schüler zu Ivonrad von Mures Füßen saß und
dem vor ihm aufgeschlagenen Rechtsbuch so wenig Geschmack ab-
gewinnen konnte, daß wohl er es gewesen ist, der den Text der
letzten Blätter in jugendlichem Unmut ob all der juristischen Spitz-
findigkeiten abgeschabt, seine Gedanken nach seinem geliebten
Lehrer und Großoheim hingelenkt und gerade hierbei eine der ersten
Proben seiner dichterischen Begabung niedergelegt hat: Sollte mir
min singen als ich ger gelingen bringen, seht so wurde ihc vro!
Daß diese Verse in Hadlaubs Liedern nicht überliefert sind, spricht
keineswegs gegen Idadlaub als ihren Verfasser. Als naives Zeugnis
der Freude, als leise Frage des werdenden Dichters an seinen Genius
lag für Idadlaub keine Veranlassung vor, diese ersten Versuche in
seine späteren Lieder in irgendwelcher Form aufzunehmen.
Fassen wir zusammen: Johannes, ein Blutsverwandter (ver-
mutlich ein Großneffe) und Schüler Konrad von Mures, war in der
Schreibkunst erfahren, beherrschte die lateinische Sprache, war
rechtskundig (hat vielleicht in Bologna studiert) und er war sanges-
kundig; da wir von keinem anderen dichterisch Begabten seines
Namens in Zürich Kenntnis haben, der zur Zeit Konrad von Mures
lebte, dürfen wir getrost behaupten, er sei derselbe, dessen Ange-
sicht uns so wohl vertraut in Johannes Hadlaub aus der großen
Liederhandschrift entgegenschaut. Beides, worauf schon Ett-
müller hingewiesen7, auf die Möglichkeit, Hadlaub sei ein Zögling
der Singschule des Züricher Großmünsterstifts gewesen, und was
Baechtold bedauert nicht erhärten zu können8, daß Konrad von
Mure sich auch um die deutsche Sprache und Dichtkunst geküm-
mert hätte, beides scheint durch den Fund in der Bamberger Hand-
schrift gesichert. Im Ganzen wird es bei Gottfried Kellers Auf-
fassung zu bleiben haben: Hadlaub wird von Konrad von Mure
in die Schule genommen, von den Manessen und dem sich um diese
schließenden Kreis edler Geschlechter als (zunächst wohl nur juristisch
gebildeter) Schreiber beschäftigt, dann aber auch beim Abschreiben
der alten Liederbücher seine eigene Dichterbegabung entdeckt
haben.
Außer den besprochenen Federproben von der Hand Hadlaubs
haben wir noch eine andere, der Schrift nach kaum von ihm her-
rührende zu beachten, das altfranzösische ,,Schanzunete“, das eben-
falls auf die Kunst des Liedes hinweist, auf provenzalischen Einfluß
auch in der Singschule des Großmünsters zu Zürich. Auf Hadlaub
selbst, dessen Lieder mancherlei Spuren von Züricher Dialekt ver-
Rudolf Sillib :
sollen, als er noch als Schüler zu Ivonrad von Mures Füßen saß und
dem vor ihm aufgeschlagenen Rechtsbuch so wenig Geschmack ab-
gewinnen konnte, daß wohl er es gewesen ist, der den Text der
letzten Blätter in jugendlichem Unmut ob all der juristischen Spitz-
findigkeiten abgeschabt, seine Gedanken nach seinem geliebten
Lehrer und Großoheim hingelenkt und gerade hierbei eine der ersten
Proben seiner dichterischen Begabung niedergelegt hat: Sollte mir
min singen als ich ger gelingen bringen, seht so wurde ihc vro!
Daß diese Verse in Hadlaubs Liedern nicht überliefert sind, spricht
keineswegs gegen Idadlaub als ihren Verfasser. Als naives Zeugnis
der Freude, als leise Frage des werdenden Dichters an seinen Genius
lag für Idadlaub keine Veranlassung vor, diese ersten Versuche in
seine späteren Lieder in irgendwelcher Form aufzunehmen.
Fassen wir zusammen: Johannes, ein Blutsverwandter (ver-
mutlich ein Großneffe) und Schüler Konrad von Mures, war in der
Schreibkunst erfahren, beherrschte die lateinische Sprache, war
rechtskundig (hat vielleicht in Bologna studiert) und er war sanges-
kundig; da wir von keinem anderen dichterisch Begabten seines
Namens in Zürich Kenntnis haben, der zur Zeit Konrad von Mures
lebte, dürfen wir getrost behaupten, er sei derselbe, dessen Ange-
sicht uns so wohl vertraut in Johannes Hadlaub aus der großen
Liederhandschrift entgegenschaut. Beides, worauf schon Ett-
müller hingewiesen7, auf die Möglichkeit, Hadlaub sei ein Zögling
der Singschule des Züricher Großmünsterstifts gewesen, und was
Baechtold bedauert nicht erhärten zu können8, daß Konrad von
Mure sich auch um die deutsche Sprache und Dichtkunst geküm-
mert hätte, beides scheint durch den Fund in der Bamberger Hand-
schrift gesichert. Im Ganzen wird es bei Gottfried Kellers Auf-
fassung zu bleiben haben: Hadlaub wird von Konrad von Mure
in die Schule genommen, von den Manessen und dem sich um diese
schließenden Kreis edler Geschlechter als (zunächst wohl nur juristisch
gebildeter) Schreiber beschäftigt, dann aber auch beim Abschreiben
der alten Liederbücher seine eigene Dichterbegabung entdeckt
haben.
Außer den besprochenen Federproben von der Hand Hadlaubs
haben wir noch eine andere, der Schrift nach kaum von ihm her-
rührende zu beachten, das altfranzösische ,,Schanzunete“, das eben-
falls auf die Kunst des Liedes hinweist, auf provenzalischen Einfluß
auch in der Singschule des Großmünsters zu Zürich. Auf Hadlaub
selbst, dessen Lieder mancherlei Spuren von Züricher Dialekt ver-