Die Utopia des Thomas Morus.
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schätz entwickelt. Zur Verwaltung dieser außerutopischen Ein-
kunftsquellen werden glänzende Beamten entsandt, die im Stile
römischer Prokonsuln wie Herren im Untertanenlande schalten.
Soweit hat sich der Idealist Morus von seinen Ausgangspunkten,
von der grundsätzlichen Forderung der Wohlfahrtspolitik und dem
Idealbild seines kommunistischen Agrarstaates abtreiben lassen.
Mag Utopien im Innern auch das Privateigentum als Quelle alles
Unheils abgeschafft haben, als Staat unter Staaten erscheint es als
Herrschaftsstaat mit den Methoden eines fast modern anmutenden
kapitalistischen Imperialismus. Die Erklärung liegt darin, daß
durch alle utopischen Vorsichtsmaßregeln der Staatsisolierung ein
tiefer englischer Instinkt hemmungslos durchbricht, sobald die
Isolierung als aufgegeben gedacht wird. Dieser Instinkt verwirft
wohl eine kontinentale Eroberungspolitik nach Art Heinrichs VIII.,
weil sie ihm falsch und überlebt erscheint, nicht aber eine Rich-
tung der Machtpolitik, die dem Genius der Nation entsprechend
ist. Auf ihren Wegen vermag sich auch Morus mit dem Wesen der
Macht zu versöhnen. So zeichnet er die Umrisse einer kolonialen
und maritimen Machtausweitung: Siedelung über See, natio-
nales Merkantilsystem, Bündnismaschinerie und Vasallengefolge,
wenn man will die Ansätze einer kapitalistischen Weltausbeutung.
Es ist, als ob diese Phantasie vor vierhundert Jahren schon die
moderne Herrschaftsstellung der Angelsachsen in der Welt zu
ahnen vermöchte.
Der Antimachiavell freilich, dessenRichtung anfänglich in dem
utopischen Gebilde verwirklicht werden zu sollen schien, ist uns
auf dem Wege unserer Untersuchung unter den Händen zerronnen.
Der Engländer Morus hat ihn noch weniger zu schreiben vermocht
als der Kronprinz Friedrich von Preußen. Gerade indem man ihn
mit Machiavell konfrontiert, wird sich zeigen, daß die Wurzel des
Problems doch noch tiefer hinabreicht.
Die Staatslehre Machiavells ist eindeutig und geschlossen,
männlich und wirklichkeitsoffen; sie bekennt sich zu dem, was sie
fordert, zur Macht, wenn man will, hart, verletzend, selbst zynisch.
Dagegen lehnt Morus zwar anfänglich das Wesen der Macht ab, um
ihr ein nach seiner Auffassung höheres Ideal entgegenzusetzen; aber
indem er seinen anfänglich isolierten Staat hernach doch in eine
Beziehung zu einer staatlichen Umwelt setzen muß, kann er auch
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-histor. Kl. 1922. 2. Abh.
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schätz entwickelt. Zur Verwaltung dieser außerutopischen Ein-
kunftsquellen werden glänzende Beamten entsandt, die im Stile
römischer Prokonsuln wie Herren im Untertanenlande schalten.
Soweit hat sich der Idealist Morus von seinen Ausgangspunkten,
von der grundsätzlichen Forderung der Wohlfahrtspolitik und dem
Idealbild seines kommunistischen Agrarstaates abtreiben lassen.
Mag Utopien im Innern auch das Privateigentum als Quelle alles
Unheils abgeschafft haben, als Staat unter Staaten erscheint es als
Herrschaftsstaat mit den Methoden eines fast modern anmutenden
kapitalistischen Imperialismus. Die Erklärung liegt darin, daß
durch alle utopischen Vorsichtsmaßregeln der Staatsisolierung ein
tiefer englischer Instinkt hemmungslos durchbricht, sobald die
Isolierung als aufgegeben gedacht wird. Dieser Instinkt verwirft
wohl eine kontinentale Eroberungspolitik nach Art Heinrichs VIII.,
weil sie ihm falsch und überlebt erscheint, nicht aber eine Rich-
tung der Machtpolitik, die dem Genius der Nation entsprechend
ist. Auf ihren Wegen vermag sich auch Morus mit dem Wesen der
Macht zu versöhnen. So zeichnet er die Umrisse einer kolonialen
und maritimen Machtausweitung: Siedelung über See, natio-
nales Merkantilsystem, Bündnismaschinerie und Vasallengefolge,
wenn man will die Ansätze einer kapitalistischen Weltausbeutung.
Es ist, als ob diese Phantasie vor vierhundert Jahren schon die
moderne Herrschaftsstellung der Angelsachsen in der Welt zu
ahnen vermöchte.
Der Antimachiavell freilich, dessenRichtung anfänglich in dem
utopischen Gebilde verwirklicht werden zu sollen schien, ist uns
auf dem Wege unserer Untersuchung unter den Händen zerronnen.
Der Engländer Morus hat ihn noch weniger zu schreiben vermocht
als der Kronprinz Friedrich von Preußen. Gerade indem man ihn
mit Machiavell konfrontiert, wird sich zeigen, daß die Wurzel des
Problems doch noch tiefer hinabreicht.
Die Staatslehre Machiavells ist eindeutig und geschlossen,
männlich und wirklichkeitsoffen; sie bekennt sich zu dem, was sie
fordert, zur Macht, wenn man will, hart, verletzend, selbst zynisch.
Dagegen lehnt Morus zwar anfänglich das Wesen der Macht ab, um
ihr ein nach seiner Auffassung höheres Ideal entgegenzusetzen; aber
indem er seinen anfänglich isolierten Staat hernach doch in eine
Beziehung zu einer staatlichen Umwelt setzen muß, kann er auch
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-histor. Kl. 1922. 2. Abh.
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