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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0009
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Studien zur Spätscholastik. II.

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gung zu voreiligen Konstruktionen leiden, — einer Neigung, die
übrigens für gewisse Richtungen der modernen geistesgeschiclit-
lichen Forschung charakteristisch ist1. Noch in anderer Richtung
griff Hermelink fehl. Schon Prantl hatte die These, daß der
Okkamismus im wesentlichen an der Anwendung der termini-
stischen Logik zu erkennen sei, nur mit zahlreichen Einschrän-
kungen durchführen können. Die Quelle dieser Logik, das „stoisch-
byzantinische“ Lehrbuch des Petrus Hispanus, stammt bereits aus
dem 13. Jahrhundert; die Anfänge einer „terministischen“ Re-
griffslehre in dem modus significandi desDuns Skotus hatte Prantl
selbst geschildert2, und die Tatsache, daß diese Regriffslehre -
in verschiedenen Schattierungen und Abstufungen — seit der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von allen philosophischen
Schulen betrieben wurde, hatte er nicht übersehen können; er
hatte sich damit geholfen, daß er die gesamte logische Literatur
der via antiqua, soweit sie sich mit dem „terministischen“ Lehrstoff
befaßte, durch die Annahme synkretistischer Verwischung des ur-
sprünglichen Parteiunterschiedes zu erklären versuchte. Eine der-
artig komplizierte Gruppierung der historischen Erscheinungen
hätte notwendig die Forschung auf die Frage führen müssen, ob
1 Die theologische Fakultät in Tübingen vor der Reformation 1477 bis
1534 (1906); Anfänge des Humanismus in Tübingen (Württ. Vierteljahrs!!,
f. Landesgesch., N. F. XV, 1906, 319ff.); Relig. Reformbestrebungen des
dtsch. Humanismus (1907). Vgl. z. B. Theol. Fak. S. 97: „Kaum ein Name
aus der Schule Okkams läßt sich während deren zweihundertjährigen Dauer
nachweisen, dessen Träger Sinn für die realen Wissenschaften gehabt oder
der auch nur die naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles studiert
hätte.“ (!) — Ich bin im Laufe der folgenden Untersuchung genötigt, mich
an vielen Stellen kritisch mit Hermelinks Thesen auseinanderzusetzen. Die
vorsichtigere Formulierung einzelner seiner Sätze in dem 1912 erschienenen
„Handbuch der Kirchengeschichte für Studierende“ II. TI. § 41 u. § 49, III. TI.
§ 7, 2 u. 6 läßt zwar — wie ich erst kurz vor der Drucklegung sehe — darauf
schließen, daß H. selber nicht mehr alle Positionen seiner früheren Schrif-
ten als haltbar betrachten mag; solange er indessen diese nicht ausdrücklich
verleugnet und umstellt (dazu bietet das genannte „Handbuch“ entfernt nicht
genügenden Raum), scheint mir eine kritische Auseinandersetzung mit diesen
Schriften, deren Existenz und vielfältige Weiterwirkung in der Literatur sich
nicht einfach ignorieren läßt, im Interesse der Forschung unvermeidlich. Es
geschieht ja nicht selten, daß irrige vorläufige Kombinationen zur Quelle
richtiger gegenteiliger Erkenntnisse werden, und ich bin gern bereit, dies auch
von den H.sehen Thesen anzuerkennen, die unzweifelhaft zur Belebung der
wissenschaftlichen Debatte das Ihrige beigetragen haben.
2 III, 204, 209.
 
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