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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0099
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Studien zur Spätscholastik. II.

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geistiger Kämpfe mochten hinzukommen: genug, der Streit starb
nicht mehr aus, obschon die Front der Kämpfer in gewissem Sinne
erst künstlich geschaffen war. Denn tatsächlich hüteten sich ja die
Okkamisten recht wohl, die Konsequenzen aus ihrem Nominalis-
mus zu ziehen, die ihre Gegner ihnen vorwarfen.
Von Köln also ertönte wohl zuerst der Ruf: zurück zu den
Alten, zu Albert und Thomas!1 Im Zusammenhang mit den all-
gemeinen Bestrebungen zur inneren Reform der Kirche, die nach
dem Abschluß der großen Konzilien verwirklicht wurden, gewann
auch dieses Restaurationsprogramm praktische Bedeutung. Heidel-
berg war die erste der deutschen Universitäten, an der man einen
Versuch damit wagte. Konnte er gelingen ? Konnte er zu etwas
anderem führen, als zu einer romantischen Reaktion — einem Seiten-
stück zu all den bald tragischen, bald rührend-komischen, mit Fleiß
und Eifer begonnenen und doch im Grunde schwächlichen, krampf-
haften Bemühungen, die Schatten einer großen Vergangenheit noch
einmal heraufzubeschwören, wie sie das zu Ende gehende Mittel-
alter so zahlreich kennt ? Wiederholt sich doch damals in Dich-
tung und Kunst, im geselligen Leben, im Spiel und in der Tracht,
in der Weltkirche und im Mönchtum — überall derselbe Versuch,
die Ideen und Formen eines verblichenen Lebens, der Kultur des
christlichen Rittertums, des Minnesangs, der Kreuzzüge, der kirch-
lichen Weltherrschaft und der Hochgotik neu zu erwecken und fest-
zuhalten. Gehört nicht auch die via antiqua in diese Reihe ? Uns
erscheint sie (auf deutschem Boden jedenfalls) als ein Unternehmen,
das in der Wurzel krank war, krank an Sehnsucht und Illusionen.
Nicht als der Ansatz zu neuen, fruchtbaren Gedankentrieben, son-
dern eher als die letzte Lebensregung einer sterbenden Epoche.
Doch damit ist ein historisches Urteil bereits vorweggenommen,
das zu seiner Rechtfertigung — wir werden sogleich sehen warum -
noch weiterer eindringender Begründung bedarf.
* *
*
3. Die historische Bedeutung des Schulstreites.
Unsere Untersuchung hat ihr Hauptziel bereits erreicht: das
Wiesen des Streites zwischen via antiqua und moderna ist in seinem
Kern klargelegt. Nicht ebenso deutlich ist aus dem bisher Erör-
terten schon seine historische Bedeutung zu bestimmen. Zwar

1 Vgl. etwa die oben p. 78 erwähnte Schrift des Heimericus de Campo.
 
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