Studien zur Spätscholastik. II.‘
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sieht, erweitert sich hier der Gegensatz, der eben noch als ein
,,in erster Linie literarischer“ bezeichnet wurde, plötzlich zu einem
tiefgehenden Zwiespalt der Weltanschauungen: Thomas und Ari-
stoteles auf der einen Seite, Okkam, stoische Ethik und Logik und
Duns Skotus mit seiner gleichfalls „terministisch-stoischen“
Willenslehre auf der andern. Und alle diese theologischen Kon-
sequenzen sollen mit der t er ministischen Logik irgendwie Zusammen-
hängen! Aber der „vorwiegend literarische“ Gegensatz greift noch
weiter um sich. Aus der terministischen Logik entwickelt sich eine
Erkenntnistheorie, die „eine Erforschung der konkreten Einzel-
dinge direkt ausschloß“1, während die Vertreter der via antiqua —
jetzt wieder im Anschluß an Duns Skotu^ — sich um den erkenntnis-
theoretischen Nachweis von der Realität der Einzeldinge im onto-
logischen Sinne und von ihrer Erkennbarkeit bemühen. Während
also die moderni nicht nur aus Mangel an Interesse, sondern aus
ganz prinzipiellen Gründen von der Beschäftigung mit den Real-
wissenschaften ausgeschlossen und auf Logik „und allenfalls“ Rhe-
torik und Grammatik beschränkt bleiben, wenden sich ihre Gegner
mit Eifer „den Dingen“ zu: sie glauben nicht nur „an die Mög-
lichkeit einer selbständigen Metaphysik und einer rationalen Unter-
stützung der Glaubenslehre“ (da sie ja die Allgemeinbegriffe für
real halten), sondern treiben auch (als Verfechter der Realität der
Einzeldinge) mit solchem Eifer „vorzugsweise“ Physik, Ethik,
Mathematik, Geometrie und Astronomie, daß man genötigt ist,
diese „skotistische Reaktion der via antiqua“ geradezu als einen
„Fortschritt in der Geschichte der Kultur“, als eine unmittelbare
Vorbereitung „für die Naturforschung des Humanismus“ zu be-
trachten. Und damit gelingt es denn Hermelink, auch die
ZARNCKESche These von der vorbereitenden Bedeutung der via
antiqua für den Humanismus in seine Konstruktionen hinein-
zubauen. Nicht nur für die „humanistischen“ Naturwissenschaften,
sondern viel weitergehend: für die Reinigung der lateinischen
Grammatik von logischen Spitzfindigkeiten und sogar für die
eigentliche Hauptleistung des Humanismus: für den Rückgang auf
die Antike sollen die antiqui den Boden geebnet haben. „Nachdem
einmal der Ruf ertönt war: Zurück zur via antiqua, zu besseren
Vorbildern der Theologie, da gab es keinen Stillstand, bis die via
1 1. c. 97. Unverständlich bleibt, wieso dann die antiqui doch ein ge-
wisses Recht gehabt haben sollen, ihre Gegner als nominales zu bezeichnen
(p. 144).
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sieht, erweitert sich hier der Gegensatz, der eben noch als ein
,,in erster Linie literarischer“ bezeichnet wurde, plötzlich zu einem
tiefgehenden Zwiespalt der Weltanschauungen: Thomas und Ari-
stoteles auf der einen Seite, Okkam, stoische Ethik und Logik und
Duns Skotus mit seiner gleichfalls „terministisch-stoischen“
Willenslehre auf der andern. Und alle diese theologischen Kon-
sequenzen sollen mit der t er ministischen Logik irgendwie Zusammen-
hängen! Aber der „vorwiegend literarische“ Gegensatz greift noch
weiter um sich. Aus der terministischen Logik entwickelt sich eine
Erkenntnistheorie, die „eine Erforschung der konkreten Einzel-
dinge direkt ausschloß“1, während die Vertreter der via antiqua —
jetzt wieder im Anschluß an Duns Skotu^ — sich um den erkenntnis-
theoretischen Nachweis von der Realität der Einzeldinge im onto-
logischen Sinne und von ihrer Erkennbarkeit bemühen. Während
also die moderni nicht nur aus Mangel an Interesse, sondern aus
ganz prinzipiellen Gründen von der Beschäftigung mit den Real-
wissenschaften ausgeschlossen und auf Logik „und allenfalls“ Rhe-
torik und Grammatik beschränkt bleiben, wenden sich ihre Gegner
mit Eifer „den Dingen“ zu: sie glauben nicht nur „an die Mög-
lichkeit einer selbständigen Metaphysik und einer rationalen Unter-
stützung der Glaubenslehre“ (da sie ja die Allgemeinbegriffe für
real halten), sondern treiben auch (als Verfechter der Realität der
Einzeldinge) mit solchem Eifer „vorzugsweise“ Physik, Ethik,
Mathematik, Geometrie und Astronomie, daß man genötigt ist,
diese „skotistische Reaktion der via antiqua“ geradezu als einen
„Fortschritt in der Geschichte der Kultur“, als eine unmittelbare
Vorbereitung „für die Naturforschung des Humanismus“ zu be-
trachten. Und damit gelingt es denn Hermelink, auch die
ZARNCKESche These von der vorbereitenden Bedeutung der via
antiqua für den Humanismus in seine Konstruktionen hinein-
zubauen. Nicht nur für die „humanistischen“ Naturwissenschaften,
sondern viel weitergehend: für die Reinigung der lateinischen
Grammatik von logischen Spitzfindigkeiten und sogar für die
eigentliche Hauptleistung des Humanismus: für den Rückgang auf
die Antike sollen die antiqui den Boden geebnet haben. „Nachdem
einmal der Ruf ertönt war: Zurück zur via antiqua, zu besseren
Vorbildern der Theologie, da gab es keinen Stillstand, bis die via
1 1. c. 97. Unverständlich bleibt, wieso dann die antiqui doch ein ge-
wisses Recht gehabt haben sollen, ihre Gegner als nominales zu bezeichnen
(p. 144).