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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0024
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24

Gerhard Ritter:

Darsteller warnen, diese gemeinscholastische Entartungserschei-
nung einseitig auf das Schuldkonto der „terministischen“ Schule
zu setzen.
Vergeblich blieben aber auch die oben geschilderten Versuche
der Pariser Artistenfakultät und des Papstes, den Einfluß okkami-
stischer Ideen auf die Pariser Lehrtradition zurückzudrängen. War-
um ? Letzten Endes doch wohl deshalb, weil die okkamistische
Strömung sich einzufügen wußte in das eingefahrene Strombett
der aristotelischen Traditionen. Die Buridan, Oresme, Albert von
Sachsen, Marsilius von Inghen und Gregor von Rimini waren weit
davon entfernt, die peripatetische Metaphysik in ihren Grund-
lagen anzuzweifeln; die Realität der Außenwelt und die Zu-
verlässigkeit physikalischer Erkenntnis stand ihnen ebenso fest
wie nur irgendeinem Thomisten der alten Schule. Eine kritische
Mißdeutung der überlieferten logischen Lehrbücher mit sophisti-
schen Mitteln und ein grundsätzlicher Zweifel an dem kanonischen
Werte der aristotelischen Philosophie und der „alten“ Commen-
tatoren findet sich nirgends in ihren Schriften. Und ebensowenig
hielt die okkamistische Theologie an allen extremen theologischen
Lehrsätzen Okkams fest, wie man denn überhaupt die theologi-
schen Schulen nicht so einfach nach Schulhäuptern und logischen
Prinzipien trennen darf, wie das meist geschieht ; der umfassende
Gesichtskreis des theologisch-metaphysischen Denkens ermöglichte
mannigfaltigere Kombinationen, als sie im Bereich mehr elemen-
tarer Disziplinen üblich waren* 1.
In diesem eingeschränkten Sinne kann an einem Siege der
„okkamistischen Richtung“ in Paris etwa seit der Mitte des
14. Jahrhunderts kein Zweifel sein; alle wirklich bedeutenden

discipulos instituunt, et quod originem habuit a doctoribus ultramontanis (d. i.
v. d. Franzosen) qui . . . aliqui juerunt magis subtiles quam utiles . . .; arguere
enim in scientia nostra ad decapitationem de formato et forma, substantia
et accidenti et s iinilibus modis et argumentis sillogisticis non credere bene
tutum . . . Die „moderni“ dieser Polemik sind natürlich nicht die Okka-
misten.
1 Für diese Abschwächung' der Schulgegensätze ist sehr interessant das
Ergebnis der Studie von Heidingsfelder über Albert v. Sachsen (Baeum-
kers Beiträge XXII, 1921), nach der der Ethikkommentar Alberts als skla-
vische Nachahmung des Kommentars v. Walter Burleigh zur nikomach. Ethik
des Aristoteles zu betrachten ist. W. Burleigh war heftiger Gegner des Nomi-
nalismus und ein Schüler des Duns Skotus — das hinderte nicht ein Plagiat
seiner ethischen Schrift durch einen Okkamisten.
 
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