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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0036
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36

Gerhard Ritter:

devote Frömmigkeit hinderte ihn nicht an jener zähen, auch weite
Umwege nicht scheuenden Verfolgung rein politischer Machtziele,
die seine Regierungsweise überhaupt charakterisiert. Die Ideen der
gallikanischen Kirchenfreiheit dienten ihm ausschließlich als Mittel
zur Vermehrung der politischen Macht des Königtums. Je nachdem
er den Papst auf diesen Wegen als Bundesgenosse brauchte oder
nicht, ließ er sie fallen oder nahm er sie wieder auf. Es ist wahr:
gerade vor wenigen Monaten hatte damals der Abschluß des Kon-
kordates von 1472 eine Art Annäherung zwischen Kurie und König-
tum gebracht: beide einigten sich auf eine Teilung ihrer Herrschaft
über die französische Kirche, von der sie beide erhebliche finanzielle
Vorteile erhofften. Aber die Universität hatte sofort dagegen pro-
testiert; und der Widerstand der französischen Prälaten hinderte
die Ausführung des Konkordates, auf das Ludwig selbst sehr bald
nach dem Abschluß keinen großen Wert mehr legte, da ihm der
Papst inzwischen politisch wieder entbehrlicher geworden war1.
Das alles gibt nicht den mindesten Anhalt zu einer kirchenpoliti-
schen Erklärung jenes Ediktes von 1473. Wenn überhaupt mehr
als die Absicht einer Reform der Studien durch gewaltsame Besei-
tigung der immer gehaltloser werdenden Schulzänkereien und ver-
einfachende Reform der Theologie dahinter stand, so vermag ich
diese politischen Absichten aus dem vorliegenden Quellenmaterial
nicht herauszudeuten.
Wie stellt sich aber nun inhaltlich der Gegenstand des Streites
dar ? Im Edikt des Königs hören wir nur die alte Klage über den
Verfall und die künstliche Verwickelung der großen theologischen
Traditionen des 13. Jahrhunderts durch unnütze Zusätze neuerer
Lehrer — Beschwerden also, die wir schon aus Gersons Schriften
kennen. Hier sind sie zur Parteisache der Thomisten und Skotisten
gegen die Okkamisten gemacht ; die erstgenannten Schulen treten
gemeinsam auf, obwohl sie — wie uns Gaguinus berichtet — unter-
einander genug zu streiten hatten. Die Autoritäten der sich be-
kämpfenden Parteien werden einander gegenübergestellt : Aristo-
teles, Averroes, Albert, Thomas, Ägidius Romanus, Alexander Ha-
lensis, Skotus und Bonaventura auf der einen, Okkam und die
Okkamisten Gregor von Rimini2, Buridan, Pierre d’Ailly, Marsi-
1 Jos. Combet, Louis XI et le saint-siege, 1461 — 83 (1903) p. 120ff
Petit-Dutaillis (= Lavisse, Hist, de Fr. IV, 2) 414ff.
2 ,,Monachi Cisterciensis de Arimino.“ Gregor war Augustiner-Eremit.
Liegt ein Irrtum vor oder handelt es sich, wie Hermelink (Theol. Fak. 138,
N. 1) will, um zwei Autoren, deren erster unbekannt wäre?
 
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