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Gerhard Ritter:
Plural!)1. Keussen hat neuerdings aus dem Pariser Original die
Namen der beteiligten Herren mitgeteilt: Konrad von Mainz,
Dietrich von Köln, Otto von Trier, Pfalzgraf Ludwig und Herzog
Friedrich zu Sachsen2. Wie kamen aber die deutschen Kurfürsten
dazu, sich in die wissenschaftlichen Meinungen der Kölner Magister
einzumischen und ihnen die Einführung okkamistischer Philo-
sophie aufzudrängen ? Irgendeine Denunziation muß Vorgelegen
haben, und es ist nicht schwer zu vermuten, woher sie gekommen
sein mag. Eben in jenen Jahren erfüllt die Sorge vor der Aus-
breitung der hussitischen Ketzerei alle geistliche und. weltliche
Politik; die Rüstungen zum Kampfe gegen die böhmischen Unruhe-
stifter sind der Gegenstand aller Tagungen fürstlicher und städti-
scher Reichsstände. Gerade um 1424 benützen die Kurfürsten, zu-
mal die rheinischen, die schwierige Lage des Kaisers Sigmund zu
engerem gegenseitigen Zusammenschluß, der ebenso die Förderung
ihrer oligarchischen Bestrebungen wie die gründliche Ausrottung
der hussitischen Ketzereien zum Ziel hat. Wir hören u. a. aus
oberrheinischen und anderen Städten von der Abnahme besonderer
,,Ketzereide“ von der Bürgerschaft auf Veranlassung der Kur-
fürsten3. Nun beruhte die hussitische und wiklifitische Lehre auf
einem extremen philosophischen Realismus, der in der Tat im
Sinne des kirchlichen Dogmas zu argen Ketzereien führte. An
der Heidelberger Universität spielte die Bekämpfung dieser Prager
Ketzereien fortdauernd eine große Rolle4. Das Aufblühen der
pfälzischen Hochschule in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens
beruhte zum guten Teil auf ihrem zugleich rechtgläubigen und
,,modernen“, also antirealistischen Charakter, der ihr reichen Zu-
zug von verdrängten deutschen Akademikern aus Prag gebracht
hatte. Gleichzeitig machte sich aber die Konkurrenz des 1389
gegründeten Kölner Studiums in der Abnahme des Zulaufs von
Studierenden aus dem Rheinland stark bemerkbar. Sollte diese
1 Prantl IV, 149, N. 616 behauptete fälschlich, Bianco habe diese
Angelegenheit mit Stillschweigen übergangen. Bianco (I, 238 — 41) hat richtig
die rhein. Kurfürsten als Verfasser des betr. Schreibens genannt.
2 Regesten und Ausz. z. Gesch. d. Universität Köln 1388 — 1559, Nr. 434
(Mitt. a. d. Stadtarchiv von Köln XV, 1918).
3 Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 295, Nr. 89ff. u. passim.
4 Bekämpfung der „modernen Lehre“ durch Hieronymus von Prag 1406
und dessen Ausschließung in Heidelberg 1406: UB II, 161; Hautz I 232;
ferner vgl. UB I Nr. 70, UB II, 210 und meine Darstellung im ersten Bande
der Heidelberger Universitätsgeschichte.
Gerhard Ritter:
Plural!)1. Keussen hat neuerdings aus dem Pariser Original die
Namen der beteiligten Herren mitgeteilt: Konrad von Mainz,
Dietrich von Köln, Otto von Trier, Pfalzgraf Ludwig und Herzog
Friedrich zu Sachsen2. Wie kamen aber die deutschen Kurfürsten
dazu, sich in die wissenschaftlichen Meinungen der Kölner Magister
einzumischen und ihnen die Einführung okkamistischer Philo-
sophie aufzudrängen ? Irgendeine Denunziation muß Vorgelegen
haben, und es ist nicht schwer zu vermuten, woher sie gekommen
sein mag. Eben in jenen Jahren erfüllt die Sorge vor der Aus-
breitung der hussitischen Ketzerei alle geistliche und. weltliche
Politik; die Rüstungen zum Kampfe gegen die böhmischen Unruhe-
stifter sind der Gegenstand aller Tagungen fürstlicher und städti-
scher Reichsstände. Gerade um 1424 benützen die Kurfürsten, zu-
mal die rheinischen, die schwierige Lage des Kaisers Sigmund zu
engerem gegenseitigen Zusammenschluß, der ebenso die Förderung
ihrer oligarchischen Bestrebungen wie die gründliche Ausrottung
der hussitischen Ketzereien zum Ziel hat. Wir hören u. a. aus
oberrheinischen und anderen Städten von der Abnahme besonderer
,,Ketzereide“ von der Bürgerschaft auf Veranlassung der Kur-
fürsten3. Nun beruhte die hussitische und wiklifitische Lehre auf
einem extremen philosophischen Realismus, der in der Tat im
Sinne des kirchlichen Dogmas zu argen Ketzereien führte. An
der Heidelberger Universität spielte die Bekämpfung dieser Prager
Ketzereien fortdauernd eine große Rolle4. Das Aufblühen der
pfälzischen Hochschule in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens
beruhte zum guten Teil auf ihrem zugleich rechtgläubigen und
,,modernen“, also antirealistischen Charakter, der ihr reichen Zu-
zug von verdrängten deutschen Akademikern aus Prag gebracht
hatte. Gleichzeitig machte sich aber die Konkurrenz des 1389
gegründeten Kölner Studiums in der Abnahme des Zulaufs von
Studierenden aus dem Rheinland stark bemerkbar. Sollte diese
1 Prantl IV, 149, N. 616 behauptete fälschlich, Bianco habe diese
Angelegenheit mit Stillschweigen übergangen. Bianco (I, 238 — 41) hat richtig
die rhein. Kurfürsten als Verfasser des betr. Schreibens genannt.
2 Regesten und Ausz. z. Gesch. d. Universität Köln 1388 — 1559, Nr. 434
(Mitt. a. d. Stadtarchiv von Köln XV, 1918).
3 Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 295, Nr. 89ff. u. passim.
4 Bekämpfung der „modernen Lehre“ durch Hieronymus von Prag 1406
und dessen Ausschließung in Heidelberg 1406: UB II, 161; Hautz I 232;
ferner vgl. UB I Nr. 70, UB II, 210 und meine Darstellung im ersten Bande
der Heidelberger Universitätsgeschichte.