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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0044
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Gerhard Ritter:

Stadium wesentlich durch das theologische Interesse bestimmt wird.
Die Frage ist, ob der spätere Ausbruch des Schulstreites auf den
deutschen Universitäten etwa von der Theologie aus veranlaßt
wurde ? Das führt von selbst zu der Vorfrage, wie es mit den theo-
logischen Parteiverhältnissen während der ersten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts in Deutschland stand, und ob die als „modern“, d. h.
als okkamistisch geltenden Universitäten theologisch ebenso ein-
seitig festgelegt waren, wie die Kölner Magister auf ihren Albert
und Thomas.

Für die meisten der älteren deutschen Universitäten wird sich
diese Vorfrage nicht mit völliger Sicherheit beantworten lassen,
weil es an den nötigen Quellenstudien gebricht. Selbst was wir
von den Anfängen der Wiener theologischen Fakultät wissen —
von Heinrich von Langenstein und seinem Genossen Heinrich von
Oyta — reicht kaum über den Umkreis der kirchenpolitischen und
praktisch-erbaulichen Schriften dieser Autoren hinaus. Wir hören
von starken naturwissenschaftlichen Interessen Langensteins, von
mystischen Neigungen, von zahlreichen Anweisungen für die kirch-
liche Praxis und erbaulichen Schriften, von sozialethischen und
volkswirtschaftlichen Versuchen1, von politischen Traktaten — aber
aus alledem ist eine scharf ausgeprägte philosophisch-theologische
Parteifarbe des Autors nicht zu erkennen; seine dogmatischen und
exegetischen Arbeiten — offenbar nicht der wichtigste Teil seines
Lebenswerkes — sind inhaltlich noch ganz unbekannt. Es scheint
aber aus kleinerenTraktaten hervorzugehen2, daß er dem heiligen
Bernhard innerlich nahestand. Trifft das zu, dann würde es jeden-
falls nicht für eine extrem okkamistische Theologie sprechen. Seine
allgemeine —■ eigentlich auch mehr vorausgesetzte als bewiesene —
Zugehörigkeit zur Pariser Okkamistenschule beweist theologisch
nicht allzuviel, wie das Beispiel des Marsilius von Inghen zeigt.
Von den Wiener Kollegen und Nachfolgern Langensteins zu An-
fang des 15. Jahrhunderts kennt man bis heute überhaupt nicht
viel mehr als ihre Namen und einige Titel ihrer Schriften.
Für Erfurt ist das Vorwiegen der okkamistischen Tradition
innerhalb der artistischen Fakultät durch soviele Quellen überein-
1 Die volkswirtschaftlich-sozialeth. Studien der Okkamisten seit Nik.
von Oresme verdienten eine besondere Untersuchung. In den „Soziallehren
der christl. Kirchen“ von E. Troeltsch sind sie ganz übergangen.
2 Hartwig, Ii. v. Langenstein, 73 u. 78ff.
 
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