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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0047
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Studien zur Spätscholastik. II.

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zelnen noch unerforscht. Ihre Aufhellung müßte uns erst recht
begreiflich machen, wieso jenes reibungslose Zusammenarbeiten
einander widerstrebender Tendenzen, die man aus der scholasti-
schen Tradition übernahm, überhaupt möglich war. Für den Aus-
bruch des Kampfes dagegen kommen nur die beiden Rivalinnen
am Rhein in Betracht: Köln und Heidelberg. Man vermutet so-
gleich, daß ihre Beziehungen untereinander und zu der mütterlichen
Pariser Korporation dabei eine erhebliche Rolle spielen werden.
Der Ausbruch des Kampfes erfolgte in Heidelberg. Alle andern
deutschen Universitäten, auf die er sich später ausbreitete, wurden
erst gegründet, als in Heidelberg das Nebeneinander der beiden
Wege längst geregelt war, und das Heidelberger Vorbild war für
den Verlauf der Auseinandersetzung notwendigerweise höchst be-
deutsam. Die Betrachtung der Heidelberger Verhältnisse ist
deshalb für das Verständnis des Ganzen entscheidend.

Leider fließen auch hier die Quellen spärlich. Für die beiden
ersten Jahrzehnte nach der Gründung freilich können wir uns eine
einigermaßen zureichende Vorstellung von dem Inhalt der hier
gelehrten Philosophie und Theologie bilden. Dann läßt die Ergie-
bigkeit der noch erreichbaren Quellen rasch nach* 1.
Die Theologie des Marsilius von Inghen kennen wir und wissen,
daß sie den hochscholastischen Systemen, insbesondere dem Tho-
mismus, bei weitem nicht so fern stand wie die Lehre Okkams. Von
seinen nächsten Kollegen hat Konrad von Soltau einen Sentenzen-
kommentar hinterlassen, der uns handschriftlich erhalten ist2. Der
Inhalt, über den ich an anderer Stelle zu berichten gedenke, zeigt
eine ziemlich unselbständige, eklektische Haltung des Autors, der
gelegentlich zwischen thomistischen und skotistischen Gedanken-
reihen schwankt, im ganzen aber kein Hehl daraus macht, daß er
dem Thomas von Straßburg in allen wesentlichen Fragen sich an-
schließt. Nun gehört das vielgelesene Sentenzenwerk des genannten
Augustinertheologen selber zu den scholastischen Leistungen zwei-
ten Ranges: es folgt im ganzen dem Aquinaten oder dessen Ver-
meine oben S. 15 angekündigte Sonderabhandlung!) hätte zu Anfang des
15. Jahrhunderts auch in Leipzig der (wohl von Paris über Prag eingewanderte)
Okkamismus überwogen, seit der Mitte des Jahrhunderts dagegen der Thomis-
mus die andern Schulen in den Schatten gestellt.
1 Die nähere Ausführung behalte ich mir für meine Universitäts-
geschichte vor. 2 Clm. 18 359.
 
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