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Gerhard Ritter:
ehrer Aegidius von Rom1, ist aber bereits mehr praktisch-religiös
als philosophisch interessiert und wenig original. Wir haben es also
bei Konrad von Soltau sozusagen mit einer Theologie aus dritter
oder vierter Hand zu tun. Sein Buch steht auf der Grenze zwischen
ernsthafter wissenschaftlicher Arbeit und bloßem Schulbuch. Kon-
rads eigentliche Leistung lag auf dem Gebiete der hohen Politik
im Dienste König Ruprechts und als Unterhändler der Universität.
Aber die dogmatische Theologie scheint überhaupt nicht die Stärke
dieser, Jahrzehnte hindurch recht ansehnlichen Fakultät gewesen
zu sein. Sie weist in ihrer Art bedeutende Gestalten auf; Männer
wie Konrad von Soest, Matthäus von Krakau, Heinrich der Jüngere
von Hessen, Nikolaus Magni von Jauer, Johannes von Frankfurt
gehören zu den namhaften deutschen Theologen, deren Andenken
noch gegen Ende des Jahrhunderts nicht erloschen war; einzelne
ihrer Schriften haben sogar noch eine Auferstehung im Druck
erlebt. Es wird auch von dogmatischen Schriften (Sentenzen-
kommentaren) aus diesem Kreise berichtet; Stücke davon haben
sich handschriftlich erhalten2. Aber die wesentliche Bedeutung
dieser Männer beruht durchweg auf ihrer praktischen Tätigkeit und
ihren Schriften zu praktischen Fragen des religiösen und kirch-
lichen Lebens. Nichts berechtigt uns zu der Annahme (die der
herkömmlichen Vorstellung von diesen Verhältnissen entsprechen
würde), daß der aus Paris nach Heidelberg verpflanzte „Okkamis-
mus“ nun sogleich eine theologische Richtung von irgendwie her-
vortretender Parteifarbe im Sinne der großen theologischen Kontro-
versen des 13. und 14. Jahrhunderts erzeugt habe. Alles, was uns
von diesen Dingen bekannt ist, macht es unwahrscheinlich, daß in
diesen ersten Heidelberger Theologengenerationen die alten dogma-
tischen Gegensätze überhaupt eine bedeutende Rolle gespielt haben.
Sehr bedeutend ist ihr Anteil an den Bestrebungen zur Reform des
Klerus und des ganzen kirchlichen Lebens. Eine der berühmtesten
und heftigsten unter den damaligen reformatorischen Flugschriften,
der Traktat De squaloribus curiae Romanae, stammt wahrschein-
lich (trotz mancher literarhistorischer Bedenken) in sehr wesent-
lichen Teilen von Matthäus von Krakau, dessen Prager Synodal-
reden schon dieselbe Leidenschaft im Kampfe gegen die Verwelt-
lichung des Klerus zeigen. Politische Missionen im Dienste des
1 Über ihn vgl. Seeberg DG. III3, 622 und K. Werner, Die Scholastik
des spätem MA. III. 2 So von Konr. v. Soest, z. II. u. III. Buche;
Clm. 14 202.
Gerhard Ritter:
ehrer Aegidius von Rom1, ist aber bereits mehr praktisch-religiös
als philosophisch interessiert und wenig original. Wir haben es also
bei Konrad von Soltau sozusagen mit einer Theologie aus dritter
oder vierter Hand zu tun. Sein Buch steht auf der Grenze zwischen
ernsthafter wissenschaftlicher Arbeit und bloßem Schulbuch. Kon-
rads eigentliche Leistung lag auf dem Gebiete der hohen Politik
im Dienste König Ruprechts und als Unterhändler der Universität.
Aber die dogmatische Theologie scheint überhaupt nicht die Stärke
dieser, Jahrzehnte hindurch recht ansehnlichen Fakultät gewesen
zu sein. Sie weist in ihrer Art bedeutende Gestalten auf; Männer
wie Konrad von Soest, Matthäus von Krakau, Heinrich der Jüngere
von Hessen, Nikolaus Magni von Jauer, Johannes von Frankfurt
gehören zu den namhaften deutschen Theologen, deren Andenken
noch gegen Ende des Jahrhunderts nicht erloschen war; einzelne
ihrer Schriften haben sogar noch eine Auferstehung im Druck
erlebt. Es wird auch von dogmatischen Schriften (Sentenzen-
kommentaren) aus diesem Kreise berichtet; Stücke davon haben
sich handschriftlich erhalten2. Aber die wesentliche Bedeutung
dieser Männer beruht durchweg auf ihrer praktischen Tätigkeit und
ihren Schriften zu praktischen Fragen des religiösen und kirch-
lichen Lebens. Nichts berechtigt uns zu der Annahme (die der
herkömmlichen Vorstellung von diesen Verhältnissen entsprechen
würde), daß der aus Paris nach Heidelberg verpflanzte „Okkamis-
mus“ nun sogleich eine theologische Richtung von irgendwie her-
vortretender Parteifarbe im Sinne der großen theologischen Kontro-
versen des 13. und 14. Jahrhunderts erzeugt habe. Alles, was uns
von diesen Dingen bekannt ist, macht es unwahrscheinlich, daß in
diesen ersten Heidelberger Theologengenerationen die alten dogma-
tischen Gegensätze überhaupt eine bedeutende Rolle gespielt haben.
Sehr bedeutend ist ihr Anteil an den Bestrebungen zur Reform des
Klerus und des ganzen kirchlichen Lebens. Eine der berühmtesten
und heftigsten unter den damaligen reformatorischen Flugschriften,
der Traktat De squaloribus curiae Romanae, stammt wahrschein-
lich (trotz mancher literarhistorischer Bedenken) in sehr wesent-
lichen Teilen von Matthäus von Krakau, dessen Prager Synodal-
reden schon dieselbe Leidenschaft im Kampfe gegen die Verwelt-
lichung des Klerus zeigen. Politische Missionen im Dienste des
1 Über ihn vgl. Seeberg DG. III3, 622 und K. Werner, Die Scholastik
des spätem MA. III. 2 So von Konr. v. Soest, z. II. u. III. Buche;
Clm. 14 202.