Studien zur Spätscholastik. II.
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pfälzischen Landesherrn brachten den Magister in intime Berüh-
rung mit dem großen Pfründenschacher in Rom; das scheint für
ihn der Anlaß gewesen zu sein zum Fortschreiten über die For-
derung der Reform an den „Gliedern“ hinaus zur Kritik am
„Haupte“ der Kirche. Kirchliche Reformideen erfüllen auch seinen
Kollegen Nikolaus Magni von Jauer aufs stärkste und klingen über-
haupt immer wieder in den Schriften der Heidelberger Theologen
an. Es sind die Traditionen eines Konrad von Gelnhausen und
Heinrich von Langenstein, die aufregenden Probleme des kirch-
lichen Schismas, die damals in diesem Kreise am lebendigsten fort
wirken. Dahinter treten die dogmatischen Gegensätze fühlbar
zurück1. Vielleicht darf man sogar in besonderem Sinne von dog-
matischer Weitherzigkeit der Heidelberger Universität sprechen.
Während der neuentdeckte Bücherkatalog der Kölner Artisten-
fakultät eine annähernd vollständige Ausschließung nichtrealisti-
scher Literatur erkennen läßt, ist von solcher Einseitigkeit in Heidel-
berg nicht die Rede. Sowohl die Bücherstiftungen aus dem Nach-
laß einzelner Professoren zu Anfang des Jahrhunderts, wie die große
kurfürstliche Bücherschenkung von 14382 und die Bibliotheks-
kataloge von 14613 zeigen, daß der Gesichtskreis der Theologen
durchaus nicht auf den Bezirk einer bestimmten Partei beschränkt
blieb: da spielen die dogmatischen Werke nichtokkamistischer Her-
kunft mindestens eine ebenso große Rolle, wie die der „modernen“
Schule. Matthäus von Krakau z. B. besitzt an Sentenzenwerken
überhaupt nur Thomas, Bonaventura und „Adam“ (Goddam?).
Die summa contra gentiles des Thomas und andere thomistische
Werke sind ganz auffallend stark vertreten und zeigen, welche Be-
deutung der Kirchenheilige damals schon für die ganze schola-
stische Theologie besaß. Weit überwiegend freilich finden wir
Kirchenväter, Homilien-, Erbauungswerke und Bibelkommentare
vor; man muß sich überhaupt vorstellen, daß dieTheologie auf den
Universitäten als Lehrfach weit mehr dem Bibelstudium und
1 In Fragen der theologischen Praxis spielen die dogmatischen Gegen-
sätze naturgemäß kaum eine Rolle. Es beweist darum für die theologische
Parteifarbe noch nichts, wenn Nik. Magni sich dem hl. Thomas in der Be-
kämpfung des Aberglaubens eng anschließt. Sein modern-katholischer Bio-
graph Ad. Franz rechnet ihn (und die ganze Heidelberger Fakultät!) gleich-
wohl kurzerhand zum Thomismus. Das ist voreilig. Doch spielt Thomas
in der Tat eine auffallend große Rolle in der Heidelberger Theologie — darüber
vgl. das folgende im Text. 2 Toepke I 653ff.: Ludwigs III. Stiftung: Acta
Palat. I (1766) p. 406—420. 3 Cod. Heid. 358, 47.
Sitzungsberichte d. Ileidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1922. 7. Abh. 4
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pfälzischen Landesherrn brachten den Magister in intime Berüh-
rung mit dem großen Pfründenschacher in Rom; das scheint für
ihn der Anlaß gewesen zu sein zum Fortschreiten über die For-
derung der Reform an den „Gliedern“ hinaus zur Kritik am
„Haupte“ der Kirche. Kirchliche Reformideen erfüllen auch seinen
Kollegen Nikolaus Magni von Jauer aufs stärkste und klingen über-
haupt immer wieder in den Schriften der Heidelberger Theologen
an. Es sind die Traditionen eines Konrad von Gelnhausen und
Heinrich von Langenstein, die aufregenden Probleme des kirch-
lichen Schismas, die damals in diesem Kreise am lebendigsten fort
wirken. Dahinter treten die dogmatischen Gegensätze fühlbar
zurück1. Vielleicht darf man sogar in besonderem Sinne von dog-
matischer Weitherzigkeit der Heidelberger Universität sprechen.
Während der neuentdeckte Bücherkatalog der Kölner Artisten-
fakultät eine annähernd vollständige Ausschließung nichtrealisti-
scher Literatur erkennen läßt, ist von solcher Einseitigkeit in Heidel-
berg nicht die Rede. Sowohl die Bücherstiftungen aus dem Nach-
laß einzelner Professoren zu Anfang des Jahrhunderts, wie die große
kurfürstliche Bücherschenkung von 14382 und die Bibliotheks-
kataloge von 14613 zeigen, daß der Gesichtskreis der Theologen
durchaus nicht auf den Bezirk einer bestimmten Partei beschränkt
blieb: da spielen die dogmatischen Werke nichtokkamistischer Her-
kunft mindestens eine ebenso große Rolle, wie die der „modernen“
Schule. Matthäus von Krakau z. B. besitzt an Sentenzenwerken
überhaupt nur Thomas, Bonaventura und „Adam“ (Goddam?).
Die summa contra gentiles des Thomas und andere thomistische
Werke sind ganz auffallend stark vertreten und zeigen, welche Be-
deutung der Kirchenheilige damals schon für die ganze schola-
stische Theologie besaß. Weit überwiegend freilich finden wir
Kirchenväter, Homilien-, Erbauungswerke und Bibelkommentare
vor; man muß sich überhaupt vorstellen, daß dieTheologie auf den
Universitäten als Lehrfach weit mehr dem Bibelstudium und
1 In Fragen der theologischen Praxis spielen die dogmatischen Gegen-
sätze naturgemäß kaum eine Rolle. Es beweist darum für die theologische
Parteifarbe noch nichts, wenn Nik. Magni sich dem hl. Thomas in der Be-
kämpfung des Aberglaubens eng anschließt. Sein modern-katholischer Bio-
graph Ad. Franz rechnet ihn (und die ganze Heidelberger Fakultät!) gleich-
wohl kurzerhand zum Thomismus. Das ist voreilig. Doch spielt Thomas
in der Tat eine auffallend große Rolle in der Heidelberger Theologie — darüber
vgl. das folgende im Text. 2 Toepke I 653ff.: Ludwigs III. Stiftung: Acta
Palat. I (1766) p. 406—420. 3 Cod. Heid. 358, 47.
Sitzungsberichte d. Ileidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1922. 7. Abh. 4