Studien zur Spätscholastik. II.
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dem Rahmen der üblichen akademischen Lektionen herausfällt;
vieles von diesen Schriften ist erhalten geblieben. Außerdem besit-
zen wir neuerdings seine Streitschrift gegen die docta ignorantia des
Nikolaus von Cues: De ignota litteratura, die Vansteenberghe in
einer Mainzer Sammelhandschrift entdeckt und herausgegeben hat* 1;
sie bildete die Veranlassung zu einer Replik, die unter dem Titel
Apologia doctae ignorantiae in allen alten Druckausgaben der Werke
des Cusaners der verteidigten Hauptschrift beigefügt wurde; ein
vertrauter Schüler des großen Denkers schildert darin einem andern
Adepten den Verlauf eines Gespräches, in dem er den Meister zu
polemischen Erwiderungen auf den Angriff Johannes Wencks ver-
anlaßt hat. Die Geistesart unseres Heidelberger Professors ist aus
alledem mit einiger Deutlichkeit zu erkennen. Zugleich aber fällt
von hier aus ein überraschend helles Schlaglicht auf das Verhalten
der Universitätsgelehrsamkeit gegenüber den großen geistigen Strö-
mungen der Zeit.
Johannes Wenck überragte sicherlich den Durchschnitt seiner
Heidelberger Kollegen. Er mochte sogar als ein hervorragend zeit-
gemäßer Theologe gelten. Den neuplatonisch-mystischen Neigun-
gen des Zeitalters kann er nicht ganz fern gestanden haben; an
den in und nach der Konzilsepoche neu einsetzenden Bestrebungen
zur Vereinfachung und Verinnerlichung der theologischen Schul-
gelehrsamkeit hat er sich mit Eifer beteiligt. Und doch stellt er
sich mit sehr geringem Verständnis, als überzeugter und typischer
Verteidiger der Schulzunft und Schultradition, dem überragend
genialen Denker, der gerade die zukunftsreichsten Ideen der Epoche
in seinem Geiste wie in einem Brennspiegel sammelte und zu einem
originellen System verband, in den Weg. Im innersten blieb diese
Schulweisheit gebunden an das Herkommen, nach Form und Inhalt,
mochte sie sich noch so reformfreudig geberden.
Schon in den Predigten Wencks fällt die häufige Berufung auf
die neuplatonischen Schriften des Dionysius Areopagita auf; sie
et collaciones; ein tractatus ,,credile ewangeliou etc. — A. u. III, 73b (1460,
juni 7). Predigten und Reden sind in großer Zahl erhalten: Cod. Pal. Lat.
Yat. 149, 486, 600, Hdbg. U.B. Cod. Pal. Lat. 454, München Clm. 7080,
Wolfenbüttel cod. Weißb. 94.
1 Le ,,de ignota litteratura“ de Jean Wenck de Herrenberg contre
Nicolas de Cuse, Baumkers Beitr. VIII, H. 6, 1910, aus dem Cod. Cartus. 307
der Mainzer Bibi. Ebendort ein Briefwechsel Wencks mit dem Abte Joh.
von Gelnhausen.
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dem Rahmen der üblichen akademischen Lektionen herausfällt;
vieles von diesen Schriften ist erhalten geblieben. Außerdem besit-
zen wir neuerdings seine Streitschrift gegen die docta ignorantia des
Nikolaus von Cues: De ignota litteratura, die Vansteenberghe in
einer Mainzer Sammelhandschrift entdeckt und herausgegeben hat* 1;
sie bildete die Veranlassung zu einer Replik, die unter dem Titel
Apologia doctae ignorantiae in allen alten Druckausgaben der Werke
des Cusaners der verteidigten Hauptschrift beigefügt wurde; ein
vertrauter Schüler des großen Denkers schildert darin einem andern
Adepten den Verlauf eines Gespräches, in dem er den Meister zu
polemischen Erwiderungen auf den Angriff Johannes Wencks ver-
anlaßt hat. Die Geistesart unseres Heidelberger Professors ist aus
alledem mit einiger Deutlichkeit zu erkennen. Zugleich aber fällt
von hier aus ein überraschend helles Schlaglicht auf das Verhalten
der Universitätsgelehrsamkeit gegenüber den großen geistigen Strö-
mungen der Zeit.
Johannes Wenck überragte sicherlich den Durchschnitt seiner
Heidelberger Kollegen. Er mochte sogar als ein hervorragend zeit-
gemäßer Theologe gelten. Den neuplatonisch-mystischen Neigun-
gen des Zeitalters kann er nicht ganz fern gestanden haben; an
den in und nach der Konzilsepoche neu einsetzenden Bestrebungen
zur Vereinfachung und Verinnerlichung der theologischen Schul-
gelehrsamkeit hat er sich mit Eifer beteiligt. Und doch stellt er
sich mit sehr geringem Verständnis, als überzeugter und typischer
Verteidiger der Schulzunft und Schultradition, dem überragend
genialen Denker, der gerade die zukunftsreichsten Ideen der Epoche
in seinem Geiste wie in einem Brennspiegel sammelte und zu einem
originellen System verband, in den Weg. Im innersten blieb diese
Schulweisheit gebunden an das Herkommen, nach Form und Inhalt,
mochte sie sich noch so reformfreudig geberden.
Schon in den Predigten Wencks fällt die häufige Berufung auf
die neuplatonischen Schriften des Dionysius Areopagita auf; sie
et collaciones; ein tractatus ,,credile ewangeliou etc. — A. u. III, 73b (1460,
juni 7). Predigten und Reden sind in großer Zahl erhalten: Cod. Pal. Lat.
Yat. 149, 486, 600, Hdbg. U.B. Cod. Pal. Lat. 454, München Clm. 7080,
Wolfenbüttel cod. Weißb. 94.
1 Le ,,de ignota litteratura“ de Jean Wenck de Herrenberg contre
Nicolas de Cuse, Baumkers Beitr. VIII, H. 6, 1910, aus dem Cod. Cartus. 307
der Mainzer Bibi. Ebendort ein Briefwechsel Wencks mit dem Abte Joh.
von Gelnhausen.