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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0052
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52

Gerhard Ritter:

entsprach schwerlich den Traditionen des Heidelberger Okkamis-
mus. Eine besondere Predigt ist dem Dionysius und seinen Ge-
nossen gewidmet1. Vollends der Kommentar zur „himmlischen Hier-
archie“ erinnert uns daran, daß um dieselbe Zeit einer der frömm-
sten, belesensten und reformerisch tätigsten Männer Deutschlands,
Nikolaus von Cusas Vertrauter, der Karthäuser Dionysius Rickel,
seinen Namenspatron als seinen Doctor electissimus betrachtete und
ausführlich kommentierte2. Von dem Wenckschen Kommentar ist
mir nur die Einleitung und ein kurzes Stück des Hauptteils aus
Photographien bekannt; daraus läßt sich eine eigene' Stellung-
nahme des Autors zu den Ideen der Mystik nicht mit Sicherheit
entnehmen; er berichtet in der Hauptsache nur über seine Vorlage.
Immerhin lassen einzelne Stellen darauf schließen, daß er den
religiösen Wert dieser Ideen begriffen hat; er verwertet sie erbau-
lich, freilich in streng biblischer, dogmatisch gewissermaßen unver-
fänglicher Form3. Um so deutlicher wird das Verlangen ausge-
sprochen — das sich gleichfalls bei Dionysius Rickel wiederfindet — ,
eine streng und nüchtern biblische, von allen eitlen Sophismen und
Erfindungen des bloßen menschlichen Scharfsinnes befreite Theo-
logie zu begründen4. Das wird mehrfach stark betont. Uns sind
diese Bestrebungen schon von Johannes Gerson her bekannt; wir
1 Zitat a. d. celestis hierarchia in einer collacio von 1434, Wolfenbütteler
Cod. Weißb. 94, Bl. 113a. Predigt über den hl. Dionys.: Cod. Pal. Lat. Vat. 149,
Bl. 243/4 von 1457 (theologisch unergiebig).
2 Werner, Scholastik d. späteren MA. IV, 210ff. — A. Mougel, Dio-
nysius der Karthäuser (deutsche Übers.), Mülheim 1898, 29ff.
3 Bl. 3a: Die „Gabe Gottes“, Jak. 1,17 wird gedeutet: Ad quid (sunt
dona dei) quam ad uniendum nos deo, ad cuius ymaginem et simiußudinem
facti sumus, quod nequaquam ignorabat . . . beatus Petrus (2. P. 1, 4), cum dixit:
Deum nobis donasse maxima . . . promissa, ut per hoc efficiamur divine con-
sortes nature, non quidem per naluram, sed per gratiam. Die so entstandene
Religion bändigt unsere vorher ungebundenen Affekte und fügt sie zur Ord-
nung. Quem ordinem lex exprimit divina, que studet nos deo et adinvicsm unire.
Denn aus der gemeinsamen Gottesliebe vieler homines rationales entsteht die
harmonia spiritualis deo placens.
4 Bl. 1b: Er warnt vor aller Spekulation, die nicht fest auf die Bibel
begründet ist: querere debet (in sc ipturis sanctis) contemplationem non nudam
et vanam, sed lucentem scientiam et ardentem dilectionem. Scientia enim et
dileclione contemplacio redditur alata, ut ascendere valeat valenter in ea, que
divine similitudinis sunt et ymittationis, ut racio exigit yerarchie posterius
edocenda., quoniam ex nuda et vana divinarum. rerwn speculatione sugunt impii
interpretes scripturarum. Folgt ein Zitat aus Hilarius über die Gefahr will-
kürlicher Exegese (Bl. 2a ff.): et incerto doctrinarum vento vagamur . . . sim-
 
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