Studien zur Spätscholastik. II.
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hin: Burckard Wenck, einer der meistgenannten antiqui, war schon
1449 in Heidelberg immatrikuliert, scheint aber dann in Paris
promoviert zu haben und taucht erst 1453 als Pariser magister hier
wieder auf1; Simon von Amsterdam, immatrikuliert bereits 1448,
wird erst 1453, kurz nach offizieller Einführung der via antiqua, in
den Fakultätsrat aufgenommen2. Die Fakultätsstatuten aber —
immer schweigsam, wenn es sich nicht um Pfründenversorgung und
Promotionsgelder handelt — erwähnen den ganzen Streit erst zum
Jahre 1452 wieder3. Wiederum war damals eine Statutenänderung
in Vorbereitung: die große Reform Friedrichs I., die dann für ein
volles Jahrhundert die Grundzüge der Organisation festgelegt hat.
Wahrscheinlich hängt es mit den Vorberatungen zu dieser Reform
zusammen, wenn nunmehr jene Spannung plötzlich zum Ausbruch
kam. Anfang April 1452, in einer (wohl absichtlich) nicht protokol-
lierten Fakultätssitzung erhoben sich zwei Anhänger des „alten
Weges“, Jodokus Aichmann von Kalw und Marcellus Geist von
Atzenheim „nicht allein gegen die Person ihrer Kollegen, sondern
auch gegen die ganze Fakultät als solche, unter Schmähungen
gegen den statutenmäßigen Lehrbetrieb“. Ein junger, erst vor
einem Jahre promovierter Landsmann des Jodokus, Magister Petrus
von Calw, ließ sich in derselben Sitzung zu ganz ungebührlichen
Äußerungen hinreißen: er wolle der ganzen Fakultät zum Trotz
der „Methode der Alten“ folgen und verachte die Weise der Mo-
dernen. Übrigens könne und wrolle er jedem nur abraten, in Heidel-
berg zu studieren, bei seinem Eide. Also eine sehr erregte Sitzung!
Es scheint nicht viel geholfen zu haben, daß sich die Fakultät mit
Strafen gegen ihre Angreifer wehrte, sie für ein halbes Jahr von
der Lehrtätigkeit ausschloß und den Petrus zur Abbitte zwang4.
Sie sah sich sogleich zu weiteren Maßnahmen genötigt. Denn was
die beiden Magister zur Opposition ermutigt hatte, war sicherlich
ihre Kenntnis bevorstehender Reformen von oben her. So beschloß
die Fakultät, allen Magistranden, die künftig um das Barret bitten
würden, einen Eid abzunehmen, dessen Inhalt für unser Thema
sehr belehrend ist: der künftige Magister verpflichtet sich danach,
die herkömmliche Art der Vorlesungen „mit Quästionen und Be-
denken an der Hand der üblichen Kompendien, mit Kommentierung,
innezuhalten, und zwar entsprechend den Traditionen der Heidel-
1 Toepke I 259. — a. f. a. II 23b—24a. — a. u. III, 18. 2 a. f. a. II
22a, 25b. 3 Nicht schon 1451, wie Cas. Wundt (und danach Prantl IV 188)
behauptete. 4 a. f. a. II, 19b-20. 1452, april. 12/22 (UB. II 362 — 64).
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hin: Burckard Wenck, einer der meistgenannten antiqui, war schon
1449 in Heidelberg immatrikuliert, scheint aber dann in Paris
promoviert zu haben und taucht erst 1453 als Pariser magister hier
wieder auf1; Simon von Amsterdam, immatrikuliert bereits 1448,
wird erst 1453, kurz nach offizieller Einführung der via antiqua, in
den Fakultätsrat aufgenommen2. Die Fakultätsstatuten aber —
immer schweigsam, wenn es sich nicht um Pfründenversorgung und
Promotionsgelder handelt — erwähnen den ganzen Streit erst zum
Jahre 1452 wieder3. Wiederum war damals eine Statutenänderung
in Vorbereitung: die große Reform Friedrichs I., die dann für ein
volles Jahrhundert die Grundzüge der Organisation festgelegt hat.
Wahrscheinlich hängt es mit den Vorberatungen zu dieser Reform
zusammen, wenn nunmehr jene Spannung plötzlich zum Ausbruch
kam. Anfang April 1452, in einer (wohl absichtlich) nicht protokol-
lierten Fakultätssitzung erhoben sich zwei Anhänger des „alten
Weges“, Jodokus Aichmann von Kalw und Marcellus Geist von
Atzenheim „nicht allein gegen die Person ihrer Kollegen, sondern
auch gegen die ganze Fakultät als solche, unter Schmähungen
gegen den statutenmäßigen Lehrbetrieb“. Ein junger, erst vor
einem Jahre promovierter Landsmann des Jodokus, Magister Petrus
von Calw, ließ sich in derselben Sitzung zu ganz ungebührlichen
Äußerungen hinreißen: er wolle der ganzen Fakultät zum Trotz
der „Methode der Alten“ folgen und verachte die Weise der Mo-
dernen. Übrigens könne und wrolle er jedem nur abraten, in Heidel-
berg zu studieren, bei seinem Eide. Also eine sehr erregte Sitzung!
Es scheint nicht viel geholfen zu haben, daß sich die Fakultät mit
Strafen gegen ihre Angreifer wehrte, sie für ein halbes Jahr von
der Lehrtätigkeit ausschloß und den Petrus zur Abbitte zwang4.
Sie sah sich sogleich zu weiteren Maßnahmen genötigt. Denn was
die beiden Magister zur Opposition ermutigt hatte, war sicherlich
ihre Kenntnis bevorstehender Reformen von oben her. So beschloß
die Fakultät, allen Magistranden, die künftig um das Barret bitten
würden, einen Eid abzunehmen, dessen Inhalt für unser Thema
sehr belehrend ist: der künftige Magister verpflichtet sich danach,
die herkömmliche Art der Vorlesungen „mit Quästionen und Be-
denken an der Hand der üblichen Kompendien, mit Kommentierung,
innezuhalten, und zwar entsprechend den Traditionen der Heidel-
1 Toepke I 259. — a. f. a. II 23b—24a. — a. u. III, 18. 2 a. f. a. II
22a, 25b. 3 Nicht schon 1451, wie Cas. Wundt (und danach Prantl IV 188)
behauptete. 4 a. f. a. II, 19b-20. 1452, april. 12/22 (UB. II 362 — 64).