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Gerhard Ritter:
damit sie den Vorlesungen folgen können. Das sind Vorschläge,
die unsere frühere Vermutung erneut bestätigen, daß die Vertreter
der via antiquorum nicht nur gegen den Okkamismus Sturm liefen,
sondern ebenso gegen den technischen Verfall des herkömmlichen
Unterrichtsbetriebes. Diesem Ansturm zu begegnen, will sich die
Fakultät gleich an die entscheidende Stelle wenden: der Kurfürst
soll gebeten werden, keine grundsätzliche Neuerung zu genehmigen,
sondern alles beim alten Herkommen zu lassen, wie es von Anfang
an friedlich (pacifice) bestanden habe1.
Ehe indessen diese Vorschläge von der Fakultät beraten wer-
den konnten, war die ganze Sachlage durch das Eingreifen des
Kurfürsten bereits verändert. Vom 29. Mai datiert die große Neu-
ordnung der Statuten durch Friedrich I.; der Universität scheint
sie Anfang Juni zugegangen zu sein. Sie warf das „gute alte Her-
kommen“ an mehr als einem Punkte über den Haufen, und die
Fakultätsakten zeigen deutlich die große Bestürzung der Magister.
Die Zulassung der via antiqua, die ja der Kirchenlehre nicht zu-
wider sei, und die völlige Gleichstellung beider Wege war kurzweg
angeordnet, jeder gegenseitige Streit ernstlich verboten, eine künftige
Regelung der Zusammenarbeit beider „Wege“ vorgesehen2. An-
gesichts dieser Bestimmungen wundert man sich, daß die Artisten
noch so kurz zuvor es gewagt hatten, mit so energischen Bestim-
mungen gegen die „Realisten“ vorzugehen. Es wird also wohl ein
erbitterter Kampf der Parteien um den Einfluß auf die kurfürst-
lichen Räte stattgefunden haben. Aber die Gegenpartei gewann
das Spiel. Vergebens faßten die Artisten ihre zahlreichen Ein-
wände in einer langen Liste von Abänderungswünschen zusammen,
unter denen die Bitte um Ausschluß „derer vom alten Wege“
erscheint3. Vergeblich rief man den Rat von allen möglichen älteren
erfahrenen Kollegen an, deren Einfluß man vielleicht zur Einwir-
kung auf die pfälzische Regierung aufzubieten dachte. Man hatte
am Hofe Erfahrungen mit der Widerspenstigkeit und Bedenklich-
keit dieser vielköpfigen Korporation, die bisher noch jede Reform
ihrer Statuten hinzuziehen verstanden hatte. Die Antwort des Kur-
fürsten, in feierlicher Sitzung durch den Kanzler Johann Gulden-
kopf verlesen, gehört zu den stärksten Beweisen landesfürstlicher
1 a. f. a. II. fol. 19b —20. 1452, mai 21, juni 1/2 . . Zu beachten ist die
Betonung der Friedlichkeit des früheren Zustandes, die mit unserer früher
ausgesprochenen Ansicht von jener Epoche übereinstimmt. 2 UB I, p. 163.
3 a. f. a. II, 20v, juni 18. Leider ist die Begründung der Bitte nicht mitauf-
gezeichnet.
Gerhard Ritter:
damit sie den Vorlesungen folgen können. Das sind Vorschläge,
die unsere frühere Vermutung erneut bestätigen, daß die Vertreter
der via antiquorum nicht nur gegen den Okkamismus Sturm liefen,
sondern ebenso gegen den technischen Verfall des herkömmlichen
Unterrichtsbetriebes. Diesem Ansturm zu begegnen, will sich die
Fakultät gleich an die entscheidende Stelle wenden: der Kurfürst
soll gebeten werden, keine grundsätzliche Neuerung zu genehmigen,
sondern alles beim alten Herkommen zu lassen, wie es von Anfang
an friedlich (pacifice) bestanden habe1.
Ehe indessen diese Vorschläge von der Fakultät beraten wer-
den konnten, war die ganze Sachlage durch das Eingreifen des
Kurfürsten bereits verändert. Vom 29. Mai datiert die große Neu-
ordnung der Statuten durch Friedrich I.; der Universität scheint
sie Anfang Juni zugegangen zu sein. Sie warf das „gute alte Her-
kommen“ an mehr als einem Punkte über den Haufen, und die
Fakultätsakten zeigen deutlich die große Bestürzung der Magister.
Die Zulassung der via antiqua, die ja der Kirchenlehre nicht zu-
wider sei, und die völlige Gleichstellung beider Wege war kurzweg
angeordnet, jeder gegenseitige Streit ernstlich verboten, eine künftige
Regelung der Zusammenarbeit beider „Wege“ vorgesehen2. An-
gesichts dieser Bestimmungen wundert man sich, daß die Artisten
noch so kurz zuvor es gewagt hatten, mit so energischen Bestim-
mungen gegen die „Realisten“ vorzugehen. Es wird also wohl ein
erbitterter Kampf der Parteien um den Einfluß auf die kurfürst-
lichen Räte stattgefunden haben. Aber die Gegenpartei gewann
das Spiel. Vergebens faßten die Artisten ihre zahlreichen Ein-
wände in einer langen Liste von Abänderungswünschen zusammen,
unter denen die Bitte um Ausschluß „derer vom alten Wege“
erscheint3. Vergeblich rief man den Rat von allen möglichen älteren
erfahrenen Kollegen an, deren Einfluß man vielleicht zur Einwir-
kung auf die pfälzische Regierung aufzubieten dachte. Man hatte
am Hofe Erfahrungen mit der Widerspenstigkeit und Bedenklich-
keit dieser vielköpfigen Korporation, die bisher noch jede Reform
ihrer Statuten hinzuziehen verstanden hatte. Die Antwort des Kur-
fürsten, in feierlicher Sitzung durch den Kanzler Johann Gulden-
kopf verlesen, gehört zu den stärksten Beweisen landesfürstlicher
1 a. f. a. II. fol. 19b —20. 1452, mai 21, juni 1/2 . . Zu beachten ist die
Betonung der Friedlichkeit des früheren Zustandes, die mit unserer früher
ausgesprochenen Ansicht von jener Epoche übereinstimmt. 2 UB I, p. 163.
3 a. f. a. II, 20v, juni 18. Leider ist die Begründung der Bitte nicht mitauf-
gezeichnet.